„Die Union ist noch nicht so weit“

Berlin · Eine der letzten großen Traditionen von CDU und CSU ist der Schutz der Ehe - beschränkt auf Mann und Frau. Chancen auf Änderung kann es geben, wenn sich die Gesellschaft schneller wandelt als die Union.

Die Kanzlerin hat keinen Zweifel daran gelassen. "Ich persönlich werde jedenfalls nicht selber einen Gesetzentwurf einbringen für eine komplette Gleichstellung ", stellte Angela Merkel 2013 ihre Haltung zur Gleichberechtigung von Homosexuellen klar. Das war bei einem TV-Auftritt vor der Bundestagswahl. Die CDU-Chefin hat Wort gehalten.

Kein Urteil des Bundesverfassungsgerichts für mehr Gleichberechtigung etwa im Steuer- oder Adoptionsrecht hat Merkel zur Aufgabe einer der letzten großen Traditionen der Union veranlasst. Den gesetzlichen Schutz der Ehe will sie weiter auf Mann und Frau beschränken. Dabei gilt es in Teilen der Union als Frage der Zeit, wann Merkel nach Atom-ausstieg und Wehrpflicht-Ende auch bei diesem Thema die sich verändernde Gesellschaft mit der CDU-Position abgleichen wird. Sie sagte 2013: "Es kann auch sein, dass durch die gesamte gesellschaftliche Entwicklung, durch die Rechtsprechung sich das dann so entwickelt." Ende des Jahres wird ein weiteres Urteil der Karlsruher Richter zum Adoptionsrecht erwartet.

Die Volksabstimmung im katholisch geprägten Irland für die völlige Gleichstellung homosexueller Paare wird die Debatte nun wieder beflügeln. Doch Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer achten auf den Teil der Union und ihrer Anhänger, für die homosexuelle Paare immer noch als unnatürlich gelten. Der sächsische CDU-Politiker Steffen Flath sagte einmal: "Gott hat uns geschaffen als Frau und Mann und ich glaube, dass er sich dabei etwas gedacht hat."

Auf die Frage eines Mannes, warum sie ihm und seinem Partner das Recht verwehre, ein Kind zu adoptieren, antwortete Merkel 2013: "Es geht um die Frage des Kindeswohls." Katrin Häußler, die mit ihrer Frau Sandra in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, läuft bei diesem Satz ein Schauer über den Rücken. "Da kriege ich Gänsehaut - nicht vor Freude, sondern vor Beklemmung. Es unterstellt Homosexuellen, dass sie auch pädophil sind", sagt die 36-Jährige. Ihr Sohn wird heute vier. Sein Schwesterchen ist eineinhalb. "Wir haben die gleichen Pflichten und die gleichen Sorgen wie andere Familien auch. Aber die CDU will mich nicht per Gesetz schützen."

Die SPD hätte bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union im Herbst 2013 schon gern Ehe und volles Adoptionsrecht für Homosexuelle durchgesetzt. Mit der Union sei das aber schwer realisierbar, sagt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD ). Heute bringt er einen Gesetzentwurf ins Kabinett ein, mit dem die rechtliche Gleichstellung von Lebensgemeinschaften schwuler und lesbischer Paare mit der Ehe auch im gesetzlichen Wortlaut gefördert werden soll. In 23 Gesetzen und Verordnungen sollen die Regeln für die Ehe auf Lebenspartnerschaften ausgedehnt werden.

Kein großer Wurf, bedauert der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lesben und Schwulen in der CDU (LSU), Alexander Vogt. "Es werden 23 Änderungen beschlossen, es gibt noch etwa 140 Ungleichheiten im Gesetz. Man hätte das mit einem Federstrich machen können, indem man die Ehe öffnet, aber die Union ist leider noch nicht so weit."

Katrin Häußler sagt: "Ich werde es hoffentlich noch erleben." Sie rechnet mit zehn bis 15 Jahren bis zur Normalität. Wie sieht die aus? "Wenn ich für das Finanzamt kein Sonderformular mehr ausfüllen muss, und meinen Kinder nicht gesagt wird, dass wir keine Familie seien, weil kein Vater da ist."

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