Zschäpe wendet sich von Anwälten ab

München · Damit hatte keiner gerechnet: Beate Zschäpe hat ihren Verteidigern im NSU-Prozess das Vertrauen entzogen. Offenbar will sie aussagen. Doch ihr Schritt könnte den Prozess auch ganz platzen lassen.

Eigentlich sollte die Mittagspause beim NSU-Prozess eine Stunde dauern, wie fast immer an den bisher 128 Verhandlungstagen. Doch diesmal kündigt eine Saalsprecherin eine Verzögerung an. Später wird eine weitere Verspätung bekannt gegeben. Und als Richter Manfred Götzl endlich wieder Platz genommen hat, folgt die Überraschung: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe habe kein Vertrauen mehr in ihre Anwälte. "Ist das so?", fragt der Richter die Angeklagte direkt. Zum ersten Mal in diesem Verfahren, das seit über einem Jahr läuft, wendet die mutmaßliche Rechtsterroristin das Gesicht zur Richterbank und antwortet, wenn auch stumm, mit einem Kopfnicken. Daraufhin unterbricht der Richter die Verhandlung und sagt auch den Termin für heute ab. Kommende Woche soll es weitergehen.

Die Folgen für das Verfahren sind vorerst nicht absehbar. Eine Gerichtssprecherin sagte gestern, Zschäpe müsse jetzt begründen, warum sie ihre Anwälte ablehnt. Dafür hat sie eine Frist bis heute 14 Uhr. Anschließend bekommen ihre Verteidiger die Gelegenheit, sich zu äußern. Gestern lehnten sie auf Anfrage jeden Kommentar ab. Darüber, ob Zschäpes Gründe als stichhaltig anerkannt werden, wird auch die Bundesanwaltschaft mitreden. Das Münchner Oberlandesgericht muss dann entscheiden, ob Zschäpes drei Pflichtverteidigern die Mandate entzogen werden. Beim Gericht heißt es, bis zum nächsten Verhandlungstermin am Dienstag könnten sich die Richter womöglich schon festlegen.

Der Grund für Zschäpes Vorstoß liegt offenbar darin, dass die Angeklagte mit der Schweigestrategie ihrer Anwälte nicht mehr einverstanden ist. Zschäpe soll bereit sein, sich zu Tatvorwürfen zu äußern - wobei unklar ist, in welchem Umfang. Bisher hat sie im gesamten Prozessverlauf keine einzige Frage von Gericht, Anklage oder Nebenklägern beantwortet.

Wie das Gericht entscheiden wird, war zunächst völlig offen. Bei den Verteidigern handelt es sich um vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger, wobei das Gericht aber Zschäpe die Entscheidung überließ, wen sie dafür auswählt. Bei der Bundesanwaltschaft wird darauf verwiesen, dass alle drei - Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl - Zschäpes persönliche Wahl gewesen seien. Sie müsse ihre Ablehnung so begründen, dass eine "tiefe und endgültige" Zerrüttung deutlich werde. Sollte Zschäpe tatsächlich neue Anwälte bekommen, wäre das Risiko für ein Platzen des Prozesses groß. Sie müssten sich zuerst in die umfangreichen Prozessakten einlesen. Dafür müsste das Verfahren eine längere Pause einlegen. Laut Strafprozessordnung darf ein Prozess aber nicht länger als 30 Tage unterbrochen werden. Ansonsten müsste er von vorn begonnen werden.

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