Gericht spricht Berlusconi frei

Mailand · Silvio Berlusconi ist im „Ruby“-Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch in zweiter Instanz freigesprochen worden. Ein Berufungsgericht in Mailand erklärte den früheren Regierungschef am Freitag überraschend für unschuldig.

Der ihm vorgeworfene Amtsmissbrauch habe nicht stattgefunden, den Sex mit minderjährigen Prostituierten sahen die Richter nicht als Straftat an. Das Urteil für den 77-Jährigen ist nicht rechtskräftig, eine weitere Berufung vor dem Kassationsgericht ist möglich.

In erster Instanz war Berlusconi im Juni vergangenen Jahres zu sieben Jahren Haft und einem lebenslangen Verbot öffentlicher Ämter verurteilt worden - dieser Schuldspruch ist nun aufgehoben. Ihm war vorgeworfen worden, bei angeblich wilden "Bunga-Bunga-Partys" in seiner Villa Sex mit Minderjährigen gehabt zu haben. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Marokkanerin Karima El Mahroug, genannt Ruby. Die heute 21-Jährige und Berlusconi bestritten jedoch, Sex miteinander gehabt zu haben.

Berlusconis Verbot öffentlicher Ämter für zwei Jahre und seine auf ein Jahr reduzierte Haftstrafe aus dem Mediaset-Prozess bleiben von dem neuen Urteil unberührt. Der Mitte-Rechts-Politiker bleibt damit weiter aus dem Senat ausgeschlossen und darf nicht für neue Ämter kandidieren. Auch seinen Sozialdienst, zu dem Berlusconi auch am Freitag erschien, muss er weiter ableisten. Im August vergangenen Jahres war Berlusconi wegen Steuerbetrugs erstmals rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilt worden, die Strafe wurde wegen einer Amnestieregelung jedoch auf ein Jahr reduziert.

Der "Ruby"-Prozess ist für Berlusconi noch nicht abgeschlossen. Legt die Staatsanwaltschaft Berufung ein, muss sich das höchste italienische Gericht, der Kassationsgerichtshof in Rom, mit dem Fall befassen. Man ist gut beraten, sachlich zu bleiben, auch wenn der Angeklagte Silvio Berlusconi heißt. Jetzt hat ihn ein Mailänder Gericht freigesprochen. Es wäre waghalsig zu vermuten, der 77-Jährige habe sich diesen Richterspruch erkauft. Stattdessen gibt es handfeste Gründe, die den Spruch rechtfertigen. So ist schwerlich zu beweisen, dass sich Berlusconi bewusst war, dass seine angebliche Geschlechtspartnerin "Ruby" zum Tatzeitpunkt 2010 minderjährig war.

Fraglich ist nun vor allem, welche Konsequenzen das Urteil haben wird. Sollte der Kassationsgerichtshof den Spruch bestätigen, ist der wegen Steuerbetrugs definitiv verurteilte Berlusconi zumindest teilweise rehabilitiert. Sein politischer Stern dürfte trotzdem weiter untergehen. Seine Partei ist schwach und zerstritten. Sein Gegner, der neue Premier Matteo Renzi, hält bislang alle Fäden in der Hand.

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