„Einsicht, nicht Vorschrift“

17 Monate lang hat die CDU drei Kommissionen beraten lassen, wie die Partei weiterentwickelt werden kann. Die Abschlussberichte mit vielen Vorschlägen liegen jetzt vor. SZ-Korrespondent Hagen Strauß sprach darüber mit der stellvertretenden CDU-Chefin Julia Klöckner.

Frau Klöckner, warum kümmert sich eine Grundsatzkommission der CDU um das Aus für das Mindesthaltbarkeitsdatum bei Nudeln?

Klöckner: Natürlich hat sich die Kommission nicht nur mit diesem Vorschlag beschäftigt, sondern mit der grundsätzlichen Frage nach unserem künftigen Wohlstand und Wirtschaftswachstum, danach, was unseren Bürgern für ihre Lebensqualität wichtig ist. Die Frage des Ressourcenverbrauches ist dabei ein Aspekt. Jedes Jahr landen in Deutschland Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, mehr als 60 Prozent aus Privathaushalten, obwohl die Nahrungsmittel gar nicht verdorben sind. Deshalb haben wir auch Vorschläge in unserer Kommission erarbeitet, die den bewussten Umgang mit Lebensmitteln zum Ziel haben.

Sie waren Vorsitzende der Kommission "Nachhaltiges Leben". Was ist das für die CDU ?

Klöckner: Für uns spielen bei der Nachhaltigkeit die drei Aspekte Ökologie, Ökonomie und Soziales eine gleich wichtige Rolle, die Balance muss stimmen. Uns geht es darum, dass die Bürger in Deutschland in den Städten wie auch auf dem Land morgen und in den nächsten Jahrzehnten noch gut leben können, ohne dass unser Wohlstand auf Kosten anderer geht. Aber dazu braucht der Verbraucher klare Informationen, um kluge Entscheidungen treffen zu können.

Will die Union einfach nur grüner werden als die Grünen?

Klöckner: Nein, warum auch? Wir Christdemokraten zwingen den Bürgern nichts auf. Wir verordnen keinen Veggie-Day. Nachhaltigkeit wird sich nur durchsetzen, wenn es sich für alle rechnet, wenn man erkennt, dass es gut fürs eigene Leben ist. Dazu gehört Einsicht, nicht Vorschrift. Wir wollen in den Schulen mehr Alltagskompetenz in Verbraucherthemen vermitteln. Es ist schön, wenn junge Leute Gedichte in unterschiedlichen Sprachen analysieren können, aber es ist auch gut, wenn sie lernen, was Altersvorsorge bedeutet und wie eine Steuererklärung geht. Am Ende ist Eigenverantwortung gefragt. Wer ein T-Shirt für zwei Euro kauft, kann nicht erwarten, dass die Näherinnen in Bangladesch ordentlich bezahlt und behandelt werden. Unser Motto ist "befähigen statt bevormunden".

Es gibt viele Absichtserklärungen in den Kommissionspapieren - Ernährungsführerschein, papierfreie Kabinettssitzungen, geringere Rentenbeiträge für Eltern, um nur einige zu nennen. Wie soll das alles umgesetzt werden?

Klöckner: Unsere drei Zukunftskommissionen haben eine Fülle von Vorschlägen erarbeitet, die Bandbreite des Lebens. Diese werden jetzt breit in Partei und Öffentlichkeit diskutiert. Auf unserem Parteitag im Dezember in Karlsruhe fassen wir dann konkrete Beschlüsse, die Teil des nächsten Regierungsprogramms werden. Wir haben es so versprochen und so halten wir es auch.

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HintergrundDie CDU will sich thematisch weiter öffnen und greift verstärkt Themen wie Umwelt-, Natur- und Tierschutz auf. Auch eine Willkommenskultur für Ausländer und Chancen der Digitalisierung sind ihr wichtig. Nach 17 Monaten Arbeit stellten die Kommissionen "Nachhaltig leben", "Zusammenhalt stärken" und "Arbeit der Zukunft" gestern ihre Vorschläge vor. Das Papier einer vierten Kommission, "Meine CDU 2017", wird heute vorgestellt. Es sieht unter anderem vor, den Frauenanteil bis 2020 von 26 auf über 30 Prozent zu steigern. Zudem sollen auch einfache Parteimitglieder mehr Mitsprache erhalten. Wie alle Parteien kämpft die CDU gegen Mitgliederschwund und die Auswirkungen des demografischen Wandels. Derzeit hat sie etwa 452 700 Mitglieder. dpa/afp

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