Auf der Jagd nach den Obsträubern

Heidelberg · Mundräuber machen Landwirten das Leben schwer. In Heidelberg ist ihnen die Polizei auf der Spur. Unterwegs sind die Langfinger vor allem in Obstanbaugebieten. Mancher Dieb lässt weit mehr als einen Apfel mitgehen.

Die Spaziergängerin fühlt sich unbeobachtet, als sie genüsslich in eine reife Mirabelle beißt. Es ist abends, die Frau um die 50 Jahre bedient sich an einem Baum in einem Feld am Heidelberger Stadtrand. Wie aus dem Nichts taucht plötzlich eine Polizeistreife auf. Die Polizisten Silke Breitsch und Alexander Willwert kommen der naschenden Frau uniformiert entgegen.

Mundräuber machen Landwirten bundesweit zu schaffen, besonders in den Urlaubsregionen. Es komme vor allem dort vor, wo der Tourismus stark ausgeprägt sei, sagt Hans-Dieter Stallknecht vom Deutschen Bauernverband. Welcher Schaden entstehe, sei von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. In Heidelberg stellt die Feldstreife die Mirabellen-Diebin zur Rede. "Was Sie gerade getan haben und noch tun, ist Diebstahl. Die Früchte sind Privateigentum", sagt Polizeihauptmeister Willwert streng. Die Frau gibt sich zerknirscht. "Das habe ich nicht gewusst", beteuert sie, in der Hand noch fünf Mirabellen . Die Polizisten verwarnen sie mündlich. Macht sie es noch einmal, muss die Frau mit einer Anzeige rechnen.

Feldstreifen sind laut Heidelberger Polizei wegen des Personalmangels eher untypisch. "Wenn 200 Menschen pro Tag die gleiche Mirabellenzahl einfach so vertilgen, ist der Baum rasch abgeerntet", sagt Polizistin Breitsch. "Das Ärgerliche für die Landwirte oder Besitzer von nicht eingezäunten Grundstücken ist, dass viele kleine Obstdiebe dabei immer wieder auch Äste beschädigen." Zusammen mit ihrem Kollegen ist sie regelmäßig zu Fuß oder mit dem Dienstwagen auf Feldstreife.

Wenig später kommt den beiden eine Fahrradfahrerin entgegen, die demonstrativ in einen Apfel beißt, als sie an den beiden Ordnungshütern vorbeiradelt. "Der Apfel stammte nicht aus einem Supermarkt", sagt Gärtnermeister Hans Hornig, der die Polizisten auf Streife unterstützt.

Viele haben es ihm zufolge auch auf Tomaten abgesehen. "Wenn aus einer Rispe eine Frucht abgerupft wurde, kann sie nicht mehr verkauft werden", so der Gärtnermeister. Er selbst erwische von der Studentin bis zum Rentner immer wieder Menschen, die sich auf den Feldern bedienten. Vor kurzem sei bei einem Heidelberger Erdbeerbauern spätabends ein kompletter Folientunnel mit Erdbeeren abgeerntet worden, erzählt der Gärtnermeister. Die Polizei kontrolliert daher nun auf den Feldwegen auch Autos mit Anhänger oder kleine Lastwagen, die eine solche Ernte möglich machen. Blumenkohl oder Lauch verschmähten die allerdings meist, erzählt Hornig - aus einem einfachen Grund: "Diese Gemüsesorten müssen erst noch gekocht werden."

Laut dem Zentralverband Gartenbau mit Sitz in Bonn ist Obst- und Gemüsediebstahl für Landwirte zwar nicht existenzbedrohend. "In Einzelfällen kann der Obstklau aber sehr ärgerlich sein", sagt eine Sprecherin. "Vor allem in Obstanbaugebieten, die auch oft Urlaubsgebiete sind, werden neben Äpfeln gerne auch Erdbeeren und Himbeeren mitgenommen. Das ist dann kein Mundraub mehr, sondern Diebstahl." Wenn sie ertappt würden, zeigten viele Menschen Unverständnis

Als es dunkel wird, sind die Heidelberger Polizisten noch immer auf Patrouille. Aus einigen Scheunen, in denen Erntehelfer wohnen, flackert noch Licht. Plötzlich nimmt ein Auto dem Streifenwagen mit Vollgas die Vorfahrt. Mit Blaulicht wird die Verfolgung aufgenommen. Bei der anschließenden Kontrolle schauen die Polizisten auch in den Kofferraum des Autos. Doch Fehlanzeige: Statt Obst finden die Beamten lediglich müffelnde Sportsachen.

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HintergrundSaarländische Bauern haben bislang keine Probleme mit Obsträubern. Einzig bei Kürbissen käme es schon vor, dass "morgens mal weniger dastehen als tags zuvor", sagte der Geschäftsführer des saaländischen Bauernverbands, Hans Lauer. Hintergrund sei, dass es im Saarland meist Streuobstwiesen gibt - und keine großen Obstplantagen, die bis zur Straße reichen. pbe

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