Schwarzer Juli für die zivile Luftfahrt

Düsseldorf · Jahrelang ging die Zahl der Unfalltoten in der zivilen Luftfahrt zurück. Nun stürzten binnen weniger Tage drei Flugzeuge ab. Jetzt wird diskutiert, welche Risiken beim Überflug von Krisengebieten entstehen.

Afrika, Asien, Europa: Drei Flugzeugabstürze binnen weniger Tage verhageln den Trend der sinkenden Opferzahlen in der zivilen Luftfahrt . Insgesamt starben dabei mehr als 460 Menschen - das sind schon fast doppelt so viele Opfer wie weltweit im ganzen Vorjahr. 2013 zählte das deutsche JACDEC-Büro für Flugunfall-Statistiken 251 Tote bei Unfällen in der kommerziellen Luftfahrt . Damit geht der Juli 2014 als einer der tödlichsten Monate in die Luftfahrtgeschichte ein - und unterbricht den Trend rückläufiger Opferzahlen .

Die Ursachen in den drei Fällen waren unterschiedlich: In der Ostukraine war es nach bisherigen Erkenntnissen ein Abschuss, in Taiwan bei Flug GE222 eine missglückte Landung und beim Absturz von Flug AH5017 der Air Algérie möglicherweise schlechtes Wetter, so der Kenntnisstand.

Nimmt man den weiter ungeklärten malaysischen Unglücksflug MH370 auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking sowie einen weiteren Unfall in Pakistan hinzu, so ist das laufende Jahr mit mehr als 700 Opfern schon jetzt eines der schlimmsten seit Langem. Zur touristischen Hochsaison wirft diese spektakuläre Unglückskette die Frage auf: Ist Fliegen noch sicher?

"Ja", lautet die Antwort von Experten wie Cord Schellenberg: "Ich persönlich fliege mit einem guten Gefühl und bin ganz beruhigt, denn über die Jahrzehnte ist der Luftverkehr nicht nur immer sicherer geworden, sondern es zeigt sich auch, dass das Gefährlichste an der ganzen Reise die Anfahrt zum Flughafen ist." Die Statistik gibt ihm recht. Immerhin gut drei Milliarden Menschen nutzen nach Angaben des internationalen Airline-Verbands IATA pro Jahr ein Flugzeug. Täglich sind es mehr als acht Millionen Menschen. Etwa 100 Jahre nach dem Start der ersten Linienmaschine gilt Fliegen als sicher wie selten zuvor. Die Technik ist immer ausgefeilter, Sicherheitsstandards sind hoch - auch wenn sich noch Dinge verbessern lassen.

Nach dem Absturz über der Ukraine zeichnet sich eine Debatte darüber ab, welche Risiken mit dem Überflug von Krisengebieten verbunden sind. Sie wird auch von den Spannungen in Nahost befeuert. "Das wird noch ein Riesenthema", sagte Dietmar Plath. Der Chefredakteur des Fachmagazins "Aero International" verweist auf nach wie vor übliche Flüge etwa über das Bürgerkriegsland Syrien. Verbindungen nach Tel Aviv hatten viele Airlines mit Blick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt bereits gestrichen.

Plath sieht weniger die Fluggesellschaften in der Verantwortung: "Das muss international geklärt werden, die Airlines selber können da kaum was machen." Auf sie kommen unter Umständen höhere Kosten zu, wenn sie Umwege fliegen müssen. Dabei leidet die Branche sowieso schon unter fehlender Ertragskraft: Pro Passagier blieben den Airlines 2013 knapp drei Euro Gewinn.

Bei der Piloten-Vereinigung Cockpit wünscht man sich daher auch wegen des hohen wirtschaftlichen Drucks vieler Gesellschaften eine unabhängige Stelle. "Es wäre aus unserer Sicht wünschenswert, wenn es international eine Organisation gäbe, die Risikobewertungen erstellt", sagte ihr Sprecher Jörg Handwerg. Denn bisher entscheidet jede Gesellschaft für sich, wie sie fliegt. Wenn Konkurrenten eine riskante, aber kostengünstigere Route wählen, folgen auch andere. Handwerg: "Nach dem Motto: Wenn es die anderen machen, wird es schon gehen." Der Sprecher spürt nach dem Unglück in der Ukraine aber, wie sich Verhalten allmählich ändert. "Das plötzliche Nicht-mehr-Anfliegen von Tel Aviv zeigt das." Beim Absturz des Flugzeugs der Air Algérie über Mali sind alle der 118 Menschen an Bord ums Leben gekommen. In dem westafrikanischen Krisenland stationierte Soldaten aus Frankreich erreichten in der Nacht zum Freitag das Wrack des zerstörten Flugzeugs. "Es gibt leider keine Überlebenden", teilte der französische Präsident François Hollande wenig später mit. Zur Unglücksursache gab es zunächst keine Angaben. Die Maschine war am Donnerstag abgestürzt. Es ist weltweit der dritte Flugzeugabsturz binnen einer Woche.

Nach ersten Erkenntnissen könnten schwierige Wetterverhältnisse eine Rolle gespielt haben. Ein Abschuss durch eine Rakete oder ein Bombenschlag gilt hingegen als äußert unwahrscheinlich. "Die Trümmer liegen in einem begrenzten Bereich. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Wrack auf dem Boden zerschellt ist und dass es keine Explosion während des Fluges gab", erklärte der französische Verkehrsstaatssekretär Frédéric Cuvillier. Frankreich ist besonders von dem Unglück betroffen, 54 der Insassen waren Franzosen.

Bei den vier Deutschen, die bei dem Absturz gestorben sind, handelt es sich um eine Entwicklungshelferin und ihre Familie. Die Frau war für die Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Burkina Faso tätig. Das Auswärtige Amt hat den Tod der Familie bestätigt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort