Neuer Organ-Skandal trifft mitten ins Herz

Berlin · Deutschland hat einen neuen Organspende-Skandal. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen das renommierte Deutsche Herzzentrum in Berlin. Bei der Vergabe von Organen soll eine Ärztin manipuliert haben.

Erst waren es die Lebern - und nun auch noch das Herz? Nach dem ersten großen Organspende-Skandal, der im Sommer 2012 vom Uniklinikum Göttingen ausging, steht nun ein schwerer Verdacht gegen das Deutsche Herzzentrum Berlin im Raum. Auch dort sollen Ärzte die Warteliste für Spenderorgane manipuliert haben - möglicherweise zum Nachteil anderer todkranker Herzpatienten. Die renommierte Klinik hat sich selbst bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Was das Herzzentrum als Transparenz-Offensive darstellt, wirkt allerdings wie eine Flucht nach vorne. Denn schon zweimal waren die Prüfer der Bundesärztekammer im Haus, weil ihnen Ungereimtheiten aufgefallen waren. Ein Ergebnis dieser Prüfung steht noch aus.

Doch selbst wenn es noch ein Verdacht ist - er erschüttert das Vertrauen in die Transplantationsmedizin erneut. Es ist wie ein Stich ins Herz, und die Folgen können fatal sein. 2013 spendeten in Deutschland nur noch 876 Menschen Organe - ein historischer Tiefstand. Und ein baldiges Todesurteil für manche der rund 10 000 Menschen, die dringend auf ein Organ warten.

Schon seit Mai rumort es am Herzzentrum. Bei einer ersten Routine-Kontrolle stieß die Bundesärztekammer auf ungewöhnliche Vorgänge. Der Verdacht: Patienten könnten in den Jahren 2010 bis 2012 eine hohe Dosierung Herz-unterstützender Medikamente erhalten haben. Ausrechnet kurz bevor Ärzte für sie den Antrag stellten, auf die Dringlichkeitsliste für ein Spenderherz zu gelangen.

Im Visier soll eine Oberärztin stehen, die bei der Nachsorge für Transplantationspatienten medizinisch einen ausgezeichneten Ruf hat. Menschlich aber gilt sie Insidern als "völlig daneben". Die Kollegin sei extrem ehrgeizig, narzisstisch, fast emotionslos, berichten sie. Die Ärztin habe viele Patienten nach persönlicher Sympathie behandelt. Wer dick war oder Kette rauchte, habe bei ihr schlechte Karten gehabt. "Wen sie nicht mochte, der kam auch nicht auf die Dringlichkeitsliste", sagt ein Kenner der Klinik. Gilt dieses Prinzip auch umgekehrt?

Eine Frage ist nun, ob die Patienten die starken Medikamente wirklich brauchten. Oder wurden sie, wie im laufenden Prozess um die Lebertransplantationen in Göttingen vermutet wird, kränker gemacht als sie waren? Das alles ist noch unklar. Nur die Hauptursache für mögliche Manipulationen ist bekannt. Es ist der Mangel an Spenderorganen und die immer wieder neue Abwägung, wer weiterleben soll und wer nicht. Auch bei Herzen verbessert ein höherer Platz auf einer Dringlichkeitsliste automatisch den Status bei der zentralen Organvergabestelle Eurotransplant. Rückt ein neuer Patient hoch, können sich die Chancen für andere Todkranke verschlechtern. Deshalb ermitteln die Berliner Staatsanwälte wegen versuchten Totschlags.

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