Ein ganzer Film in einem Foto

St Wendel · Im Museum St. Wendel herrscht in diesen Tagen eine fast sakrale Atmosphäre. Im leicht schummrigen Licht der beiden Ausstellungssäle leuchten acht Kunstwerke der Fotografin Susanne Schmidt. Es sind riesige Fotografien auf transluzentem, matt schimmerndem Papier, das von hinten angeleuchtet wird. Die Farben der Bilder glühen förmlich, das Licht erzeugt eine Aura.

 Ausschnitt aus Susanne Schmidts fotografischer Arbeit „Pi“, die im Original 112 x 406 cm misst. Foto: Susanne Schmidt/Museum St. Wendel

Ausschnitt aus Susanne Schmidts fotografischer Arbeit „Pi“, die im Original 112 x 406 cm misst. Foto: Susanne Schmidt/Museum St. Wendel

Foto: Susanne Schmidt/Museum St. Wendel

Susanne Schmidt in die Schublade der Fotografie zu stecken, greift zu kurz und wird ihrer Arbeit kaum gerecht. Sie ist Fotografin, Licht- und Performancekünstlerin und irgendwie auch Bildhauerin. Mit Licht kreiert sie Skulpturen im virtuellen Bildraum. Die neueste Serie entstand in einer verlassenen Baumwollspinnerei in Zürich. Das fünfgeschossige Gebäude selbst ist schon ein Hingucker. Ähnlich der St. Ingberter Baumwollspinnerei besteht es aus niedrigen Hallen, deren Decken von 36 regelmäßig angeordneten Säulen gestützt werden. In der Raummitte installierte Schmidt ihre Kamera. Sie bewegte sich mit Lichtleisten durch den Raum und hielt das in einer mitlaufenden 360°-Fotografie fest.

So webt Schmidt durchscheinende lineare Gespinste aus Licht. Manchmal sieht man die Künstlerin in den Fotos, sie ist aber nur schemenhaft erkennbar oder scheint still zu stehen. Die Ruhe der Person nimmt dem Bild die Dynamik und lässt das Licht, das eigentlich nur festgehaltene Bewegung ist, zur Skulptur erstarren. Manchmal sind es Wände aus Lichtgewebe, die Schmidt produziert, ein anderes Mal nur sporadische Spuren des Lichts, dann polygonale Skulpturen. Manchmal sind die Gewirke zart wie Gaze, dann erscheinen sie dick und voluminös wie Wände. Unterschiedliche Tageslichtverhältnisse verändern den Raum und die Arbeit. Der strenge Rhythmus der Säulen wird aufgenommen und miteinbezogen.

Das alles entsteht aus einem ausgeklügelten Zusammenspiel von Licht, Bewegung und Zeit. Schmidt schafft es, alle drei zu materialisieren. Die Lichtkörper existieren als solche nicht, doch Schmidt nimmt die Zeit der Performance auf und friert sie auf dem Bild ein. So schafft sie es, einen ganzen Film in einem Foto festzuhalten. Als Betrachter braucht man Zeit zur Wahrnehmung. Man muss den ausgebreiteten Raum erfassen, das Licht und das Spiel aus Bewegung und Erstarrung. Besonders interessant ist ein Werk, in dem alle fünf Etagen der Spinnerei übereinander gezeigt und alle unterschiedlich "bespielt" werden. Es beweist, wie unterschiedlich die Bildwirkung sein kann, wenn Schmidt Licht, Raum und Bewegung variiert.

Wie wichtig die Präsentation der Fotos ist, zeigt ein schmales Foto im Treppenhaus des Museums. Dort hängt eine Arbeit aus der Baumwollspinnerei in St. Ingbert: ein Motiv, das an glühendes Roheisen auf einer Walzstraße erinnert. Die Lichtskulptur nimmt das leuchtende Orange der bemalten Fensterscheiben auf. Doch fehlt dem Werk die Kraft der großen Motive in den Sälen. Es bleibt blass, ohne Magie.

Bis 10.1. (Di, Mi, Fr: 10-16.30 Uhr; Do: 10-18 Uhr, Sa: 14-16.30 Uhr; So: 14-18 Uhr)

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