Sehnsuchtsklänge eines Heimatlosen in der Fremde

Saarbrücken · Die Konzertreihe „Sommermusik“ der Landeshauptstadt Saarbrücken konfrontiert die Hörer mit Musik abseits des „Mainstream“. Wer sich darauf einlässt, kann etwas erleben. Am Samstag ging es um Sonaten von Paul Hindemith.

Bei Gottfried Benn , dem Motto-gebenden Dichter der diesjährigen Saarbrücker Sommermusik, kommt man an dem Komponisten Paul Hindemith (1895-1963) kaum vorbei: Die beiden Zeitgenossen vertraten eine ähnliche Ästhetik und arbeiteten in den 30er Jahren auch zusammen, so vertonte Paul Hindemith einige Gedichte Benns. Der Samstag bot nun die seltene Gelegenheit, gleich drei Klaviersonaten Hindemiths auf einmal zu hören: Sommermusik-Chef Thomas Altpeter lud zu einem Konzert mit Daniel N. Seel in den sehr gut besuchten Saarbrücker Rathausfestsaal.

Seel gehört nicht nur als Pianist, sondern auch als Komponist zu den Stammgästen der Reihe und interpretierte hier drei Sonaten , die alle im Jahr 1936 binnen weniger Monate in der Türkei entstanden. Zu diesem Zeitpunkt war Hindemith längst als "entartet" verurteilt und arbeitete im Ausland; die Aufführung seiner Werke in Deutschland galt als gefährlich. Wie ein Spiegel seiner damaligen Lebenssituation liest sich Friedrich Hölderlins Gedicht "Der Main", das die Sehnsucht eines Heimatlosen in der Fremde ausdrückt und Hindemith zu seiner I. Sonate inspirierte. Auch formal nimmt das fünfsätzige Werk Bezug zum Titel auf, indem es die Bewegung eines Flusses nachzeichnet: Bei ruhigen Viertelnoten erspielte Seel klare bis düstere, tändelnd versickernde Klänge, um langsamen Marschtakten eine prägnant rhythmische Struktur von tänzerischer Eleganz zu verleihen und dann quirlige Strudel und reißende Stromschnellen zu skizzieren.

Ebenfalls romantisch-sinfonisch die III. Sonate, bei der Seel mit impressionistischem Farbfeuer ein emotionales Kaleidoskop aus verträumt-warmer Fülle, lauernder Rastlosigkeit, fiebriger Unruhe und gemeißelten Härten zauberte. Im Kontrast dazu stand die klassisch geprägte II. Sonate mit durchweg perlendem Zugriff. Riesenapplaus.

Bis Ende September stehen dutzende Konzerte an verschiedenen Spielorten auf dem Programm. Infos: www.saarbruecken.de/kultur

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