Hörgenuss ohne viel Grübelei

Saarbrücken · Bekanntes und Beliebtes von Tschaikowsky, Rachmaninoff und Bernstein stand am Sonntag auf dem Programm des ersten Konzertes des Saarländischen Staatsorchesters nach der Sommerpause. Am Klavier begeisterte die junge Chopin-Preisträgerin Yulianna Avdeeva.

Mit einer wahren Hitparade eröffnete das Saarländische Staatstheater in der Congresshalle seine neue Konzertsaison. Tschaikowsky, Rachmaninoff und Bernstein - das versprach reinen Hörgenuss ohne Grübelei. Dass dabei die Grenze zwischen Kunst und Kitsch nicht allzu eng gezogen war, wurde offenbar gern hingenommen. Doch man bekam auch andere Töne zu hören. In ihrer dramatischen Darstellung von Tschaikowskys Ouvertüre zu ,,Romeo und Julia" betonten Nicholas Milton und das Staatsorchester neben den lyrischen auch die dunklen, harschen Töne des Werkes, die verraten, dass der Komponist mehr von Shakespeare verstand als Starkritiker Hanslick, der das Werk in Wien als "seelenlos" verriss. So wurden die schmelzenden Kantilenen der beiden Liebenden immer wieder mit wilden Kampfszenen konfrontiert. Wobei man sich allerdings wünschte, ein Schwerthieb hätte manchen der zu hohen Bläsertöne aufs richtige Maß gekürzt.

Es folgte Rachmaninoffs Rhapsodie über das berühmte Thema aus Paganinis 24. Caprice mit der jungen Chopin-Preisträgerin Yulianna Avdeeva. Sie gab dem Klavierpart die nötige Brillanz, dazu die wohltuende Klarheit, die Rachmaninoffs eigene Interpretation auszeichnet, fügte aber eine Prise Witz und sogar Ironie hinzu. Und das wurde verstanden, wie der begeisterte Beifall zeigte.

Nach der Pause dann Danzón Nr. 2 von Arturo Márquez, bekannt als Dauerbrenner in den Konzerten des Show-Dirigenten Gustavo Dudamel und ein Beispiel dafür, wie einige gekonnte Akzentverschiebungen aus einem schlichten Viervierteltakt eine rhythmische Raffinesse machen können. Zugleich die richtige Einstimmung auf Leonard Bernsteins Sinfonische Tänze aus seinem Geniestreich "West Side Story ". Wer Bernsteins eigene, "jazzige" Dirigierweise bei dieser Musik erlebt hat, etwa anhand des noch heute abrufbaren Videos im Internet, also seine scheinbar lässigen, aber wohlkalkulierten kleinen Gesten aus den abgewinkelt hängenden Handgelenken heraus, das Wetterleuchten in seinem Gesicht, die unvermeidliche Zigarette im Mundwinkel baumelnd, der musste sich an Miltons hellwache, vorwärtsdrängende Interpretation erst gewöhnen. Doch was er damit dem Orchester an Brillanz und Feuer entlockte, rechtfertigte seinen Ansatz. Gut gelaunt servierte Milton ein weiteres Bernstein-Werk als Zugabe, die ,,Candide"-Ouvertüre, und noch etwas aus der ,,West Side Story " - ein etwas lauter, aber effektvoller Rausschmeißer.

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