„Man malt und malt und hofft, dass das einen Sinn ergibt“

Saarbrücken · 2013 im Pingusson-Bau, 2014 im „Jules Verne“-Veranstaltungsraum und nun zuhause: Die Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) hatte am Dienstag zu ihrem Comic-Symposium geladen. Ein munterer Abend mit Vorträgen und dehnbarem roten Faden.

 Marijpol und der Kollege Manuel Fior erläutern ihre Arbeiten.

Marijpol und der Kollege Manuel Fior erläutern ihre Arbeiten.

 Roland Stigulinszky liest aus einem seiner Texte. Fotos: tok

Roland Stigulinszky liest aus einem seiner Texte. Fotos: tok

"Comic im Raum" hatte die HBK ihr eintägiges Symposium betitelt - man wolle auf "Identitäts- und Historienräume" schauen, auf "utopische Räume, politische Räume und Erinnerungsräume" hieß es seitens der HBK. Viele Räume also, und ein dehnbarer roter Faden.

Einen Erinnerungsraum betritt Barbara Yelin mit ihrem Comicband "Irmina". Yelin, Gastprofessorin an der HBK 2011/12, zeichnet auf knapp 300 Seiten das Leben ihrer Großmutter im Nationalsozialismus nach. Im Foyer der Hochschule projizierte sie Bilder des kunstvollen Comics und erläuterte vor allem den Inhalt des Bandes - Erklärungen zur Arbeit mit Bildern, Formaten und der dramaturgischen Aufteilungen von Seiten waren leider seltener. Es folgte ein Urgestein des, unter anderem, Zeichenmetiers: Roland Stigulinszky. Nachdem der 89-Jährige die klimatischen Verhältnisse im Foyer zum Besseren verändert hatte ("Hier zieht es ja wie Hechtsuppe"), gab er einen munteren Vortrag: über sein Künstlerleben, "in dem es immer etwas querfeldein ging", und über die politische Karikatur als "Bimsstein für unsere schmutzigen Hände", die mehrere Daseinsberechtigungen habe: Man könne moralisieren, dabei seine Freude haben und auch noch Geld verdienen. Er zeigte einige seiner Karikaturen, auch aus der hiesigen Satire-Zeitschrift "Tintenfisch", und lud ein zur Zeitreise: Eine Karikatur, die den damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann als "Gipskopf" zeigte, brachte dem "Tintenfisch" ein zeitweiliges Verbot ein. Manche seiner Karikaturen haben schon ihr klassisches Schicksal erlitten - die Abgebildeten sind vergessen: Richard Jaeger etwa, 1965/1966 Bundesjustizminister (mit SA-Vergangenheit), mit Spitznamen "Kopf-Ab-Jäger". Stigulinszky zeichnete ihn mit nachtschwarzer Henkerskutte.

Tatsächlich um die Räume aus dem Symposiums-Titel ging es bei der Künstlerin Marijpol, die auch beim HBK-Symposium 2013 dabei war. Sie führte durch ihre waghalsigen, fast surrealen Comicbände "Eremit" und "Ferien im Sumpf". In denen wimmelt es von Höhlensystemen und verschlungenen Dschungelwelten, die sie "selbst nicht versteht"; wenn die Hauptfigur von Selbstzweifeln geplagt wird, klappen die Hirnhälften auseinander. Ein großer Kontrast etwa zu Yelins "Irmina", das auf einer historischen Vorlage beruht und nicht auf überbordender Fantasie. Marijpol: "Man malt und malt und hofft, dass das einen Sinn ergibt." Ob ihre Arbeit von den wilden Bildwelten japanischer Mangas beeinflusst sei, fragte Moderator Volker Zimmermann. Marijpol verneinte und nannte eine ganz andere Inspirationsquelle: die symbolische Darstellung der Tiere bei den Zeugen Jehovas .

Von überraschenden Einflüssen erzählte zum Schluss auch der italienische Künstler Manuel Fior - der ausgebildete Architekt sucht sich für manche seiner Arbeiten Bilder von Landschaften oder Gebäuden im Internet bei Google Earth: Der Papierausdruck wird kopiert und bearbeitet, so baut sich Fior eine Welt für seine Handlungen, deren reales Vorbild er meist nicht kennt. Seine Geschichten beginnen oft mit einem Gebäude, das ihn fasziniert, und erzählen sich von dort fast selbst, anhand der Logik der Architektur. "Male ich ein teures Haus, drängt sich die Idee eines Einbruchs geradezu auf. Und schon beginnt die Geschichte."

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