Religion und Glauben als Bühnen-Show: „Credo“-Uraufführung in der Feuerwache

Saarbrücken · Im neuen Performance-Projekt der „Redner“ geht es um die großen Weltreligionen. Doch „Credo“ wagt zu wenig. Das Publikum reagierte am Samstagabend in der Feuerwache mit Respekt, nicht mit Enthusiasmus.

 Die Redner: Julien Blondel, Oliver Strauch, Florian Penner, Jean Pascal Boffo, Kaori Nomura. Foto: Hickmann

Die Redner: Julien Blondel, Oliver Strauch, Florian Penner, Jean Pascal Boffo, Kaori Nomura. Foto: Hickmann

Foto: Hickmann

Man müsse das Mögliche tun, um das Unmögliche zu berühren, lautet ein Satz der Schriftstellerin Simone Weil . Er trifft das ziemlich gut, was man am Ende der "Credo"-Uraufführung von Saarlands Vorzeige-Performer-Kollektiv "Die Redner" am Samstag empfand. Ihre Mission: der Weltfrieden. Ihr Thema: Religion und Glauben. Unbewusst hatte man für diesen Griff nach den Sternen wohl einen Geniestreich erwartet, mehr formales Draufgängertum. Doch die "Redner" marschieren mit "Credo" auf ihren bewährten, vielfach mit Preisen bedachten Pfaden, wiederholen das Collage-Konzept aus Live-Konzert, Sprache und Bilderkosmos. Für große historische Reden etwa Helmut Schmidts oder Charles de Gaulles erwies es sich als geniale Hinterleuchtungs- und Wiederbelebungs-Methode. Doch in "Credo" verschmelzen Klang- und Filmwelt nicht wie sonst zu einem soghaften Amalgam.

Wir begegnen in der Feuerwache den Musikern in der gewohnt kargen Ausstattung. Julien Blondel (Cello), Jean Pascal Boffo (Gitarre; Sitar), Kaori Nomura (Piano), Florian Penner (Bass) und Oliver Strauch (Schlagzeug) - die beiden letzteren sind für die Gesamtkomposition des Abends verantwortlich - stehen auf leerer Bühne, neben einer Riesenleinwand, vor der ein Akteur (Robert Prinzler) kleinere Screens hochzieht oder wieder versenkt. Er führt wilde Tänze auf, brüllt Zwischenrufe, spricht Playback - eine Verlegenheitslösung, kein markanter Protagonist. Die Jazz-Komposition von Oliver Strauch wagt derweil den Cross-Over von Lounge-Klängen zu orientalischem Folk und beweist großartiges Gespür für Drive und Stopp, pendelt zwischen Melancholie und Meditation, Feierlichkeit und Witz.

Patres, Rabbiner, Imame

Für "Credo" gingen die Redner auf Recherchereise zu Religionswissenschaftlern, Patres, Rabbinern und Imamen, ja sogar zum Dalai Lama . Ihre aktuellen Begegnungen und Interviews verknoten sie mit Aussagen der Vergangenheit, das Panorama reicht von Martin Heidegger über den atheistischen Schriftsteller Stephen Fry bis zur jungen Nobelpreisträgerin und Muslimin Malala. Aus all dem Dokumentarischem und Animationen hat ein Team um Florian Penner ein mitunter hektisch-nervöses Bild-Gewitter entwickelt, das einen gigantischen Horizont aufreißt: Assad und der Papst, Wüstensand und Laubsägewälder, alte Stiche von Hexenverfolgungen und US-Bombengeschwader, Kreuzritter-Gemetzel und Gebete aus dem Kloster Münsterschwarzbach, erotischer orientalischer Schleiertanz und kühl-abstrakte jüdische Symbolik. Viele Vorhersehbarkeiten stecken drin, zu wenig Überraschungen wie der freche Comic zu Eugen Drewermanns Ausführungen über den Tod, hier eine Blondine mit Kussmund. Generell vermisst man mehr packende, berührende, intime Momente. Pater Anselm Grün liefert sie, wenn er seinen Glauben schildert: "Ich bin begleitet und nicht allein." Auch der Religionsphilosoph Milad Karimi steuert kostbare Augenblicke bei. Er zitiert den Koran, versinnlicht ihn als lautmalerisches Gesamtkunstwerk und macht uns ob der Schönheit des Arabischen staunen. Der Rabbi Joel Berger wiederum provoziert mit Äußerungen über die christliche Leasing-Religion, die nicht nur die Auferstehung als Leihgabe von den Juden hat. Wahrlich, da horcht man hin - immer, wenn es persönlich wird.

Doch es wirkt, als hätten die Redner das "Credo" (Ich glaube) und damit die Seelenkunde im Zuge ihrer Recherchen hintan gestellt. Wir erfahren nebenbei, warum der Einzelne glaubt, aber viel darüber, woran er glaubt, sprich über die Weltreligionen Christentum, Judentum, Islam. An diesem Punkt kam den Rednern wohl auch noch ihre "political correctness" in die Quere: nur keine Bevorzugung, keine Schuldzuweisungen, keine Empörung, auch nicht, wenn es um die moslemischen Gotteskämpfer der IS geht. Dementsprechend glatt und ausgewogen wirkt das Ganze, in die Ferne einer Abhandlung gerückt. Deren - vermeintlich banale - Antwort auf das größte existenzielle Geheimnis lautet: Wahrheit, Barmherzigkeit und Liebe, so funkt es die Redner-Leinwand. Wir kennen sie, aber wie leben wir sie? "Credo" fordert keine Antwort.

Nächste Termine: 31. Oktober, 5., 6., 14., 16. November; Karten unter Tel. (0681) 3092 486.

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