Das Kosten-Versteckspiel

Saarbrücken · Missverständliche Äußerungen bringen den Kulturminister in Bedrängnis. Er hat 39 Millionen Euro als Kosten-Obergrenze für die Museums-Erweiterung vorgegeben. Die Grünen kritisieren „Schönrechnerei“ um 2,7 Millionen Euro.

 Mit diesem Entwurf holten twoo Architekten 2007 den fünften Preis im Wettbewerb. Später wurde die Fassade vom Kölner Büro als transparente „Glitzerhaut“ geplant – und zum Streitobjekt. Der Kubus wartet immer noch. Foto: twoo/Stiftung

Mit diesem Entwurf holten twoo Architekten 2007 den fünften Preis im Wettbewerb. Später wurde die Fassade vom Kölner Büro als transparente „Glitzerhaut“ geplant – und zum Streitobjekt. Der Kubus wartet immer noch. Foto: twoo/Stiftung

Foto: twoo/Stiftung

Im Rückspiegel lässt sich der Weg für die Zukunft nicht erkennen. Hat sich der Kurator der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz , Minister Ulrich Commerçon (SPD ), diesen Satz zu eigen gemacht, wenn es um den Erweiterungsbau der Modernen Galerie geht? Das Nach-Vorne-Denken führt offensichtlich dazu, dass die Altlasten, die aus dem "Skandalbau" resultieren, in der Kommunikation vergessen werden.

So beispielsweise am vergangenen Freitag, als Commerçon den neuen Gesamtkostenrahmen - 39 Millionen Euro - vorstellte. Ohne zu erwähnen, dass durch das Neuaufsetzen des Projektes durch die Architekten Kuehn Malvezzi durchaus Zusatzkosten entstehen. Beispielsweise für die neue Fassade. Denn die alte, noch vom früheren Vorstand Ralph Melcher beim Hersteller bestellte, wurde im Sommer 2011, vor Commerçons Amtszeit, als "Billigheimerlösung" gekippt. Zum genauen Entscheidungsprozess macht das Kultusministerium keine Angabe. Jedenfalls taucht die "Glasfassade" in der WPW-Gesamtkostenschätzung von April 2012 mit rund 900 000 Euro auf; die jetzt vorgesehene kostet zwei Millionen. Zusätzlich muss mit Schadenersatzleistungen gerechnet werden. Dazu das Kultusministerium: "Das derzeit bestehende Risiko aus Altverträgen schätzt die Stiftung auf rund 700 000 Euro ." Versenkte Fassaden-Kosten, die bisher nicht öffentlich gemacht wurden.

Kurioserweise war der frühere Vorstand auf die graue Glas-"Elefantenhaut" ausgewichen, um schätzungsweise 400 000 Euro zu sparen. twoo Architekten, die schimmerndes Gussglas vorgesehen hatten, um dem Bau seine Wucht zu nehmen, stiegen im Streit aus, das Projekt geriet auf die Schussbahn. Soweit die kostspieligen Irrungen und Wirrungen der Vergangenheit. Doch ganz aktuell sind Äußerungen des Kulturministers, die die Grünen auf den Plan rufen. Fraktionschef Hubert Ulrich spricht gegenüber der SZ von einer "Irreführung der Öffentlichkeit", Commerçon setze die Kostentäuschung seiner CDU-Vorgänger fort. Er verschleiere Mehrkosten von 2,7 Millionen Euro . Wie das?

Der Minister hatte mehrfach, zuletzt vor Journalisten am Freitag, betont, er bewege sich "in dem von WPW gesetzten Rahmen". In der WPW-Gesamtkostenprognose von April 2012 über 29,4 Millionen, die der SZ vorliegt, sind jedoch, anders als von Commerçon suggeriert, Kostenansätze für Fassade und Außenanlagen zu finden. So wird die "Glasfassade" mit 878 515 Euro angeben, die Kostengruppe Außenanlage schlägt mit rund 1 240 000 Euro zu Buche, großteils für technische Anlagen, nicht für das eigentliche Umfeld. Deshalb hielt WPW im Abschlussbericht fest, dass "Mehrkosten" für die Außenanlagen und "für eine andere Fassade" in den 29,4 Millionen Euro nicht drin steckten, sprich unvermeidlich seien. Commerçon äußerte sich wie folgt: "WPW hat eindeutig gesagt, dass die Fassade nicht enthalten ist". Man kann das missverstehen und auf die alte Fassade beziehen. Ulrich: "Commerçon biegt sich die Wahrheit zurecht". Wenn der Minister es ernst meinte mit der WPW-Vorgabe, müsste er korrekterweise die Kosten, die in der 29,4-Millionen Euro-Kostenschätzung für Fassade und Außenanlagen auftauchten, aus seinen "rund 30 Millionen Euro ", die er jetzt nur noch für den reinen Kubus ansetze, raus rechnen. "So wird unter der Hand der Bau um rund 2,7 Millionen Euro teurer." Das seien "Taschenspielertricks".

Dieser Darstellung widerspricht Kulturstaatssekretärin Andrea Becker . Der WPW-Abschlussbericht habe lediglich den Finanzrahmen vorgegeben, um ein neues Fertigstellungs-Projekt aufzulegen. Die Kalkulation diene dem Ministerium als Kosten-Limit-Vorgabe: "Unser Ziel ist es, mit der Summe von rund 30 Millionen Euro , die auch der Rechnungshof als Kosten des Kubus-Bauprojektes für realistisch ansah, etwas Vernünftiges zu bauen. Ein funktionales Museum von angemessener Qualität." Wenn etwas teurer würde als jetzt geplant, müsse an anderer Stelle eingespart werden. Mit anderen Worten: Nur die Endsumme zählt, Auf- und Gegenrechnen bringt nichts?

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