„Ich versuche, musikalisch zu schreiben“

Saarbrücken · Cécile Wajsbrot hat in Saarbrücken den Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis erhalten, den der SR, die Stiftung des Verbandes der Metall- und Elektroindustríe des Saarlandes und die Stadt Sulzbach vergeben. In Frankreich ist Wajsbrot vor allem als Autorin bekannt. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit gesprochen.

 Cécile Wajsbrot auf dem Saarbrücker Halberg, wo sie vergangene Woche mit dem Eugen Helmlé-Preis geehrt wurde. Foto: Oliver Dietze

Cécile Wajsbrot auf dem Saarbrücker Halberg, wo sie vergangene Woche mit dem Eugen Helmlé-Preis geehrt wurde. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Viele Übersetzer sind nur den Eingeweihten des literarischen Milieus ein Begriff. Bei Cécile Wajsbrot ist das anders. Denn sie ist auch als Schriftstellerin und Autorin für die wichtigsten französischen Literaturzeitschriften produktiv und anerkannt.

An die 20 Romane und Erzählbände hat die Pariserin, Jahrgang 1954, seit 1982 veröffentlicht, von denen seit 2003 etliche auf Deutsch vorliegen. In denen befasst sich die Tochter polnischer Juden, die vor den Nazis nach Frankreich flohen, vor allem mit der Shoah, dem Erinnern und Schweigen. Angefangen zu übersetzen habe sie zunächst nur als "Brotarbeit" und aus der englischen Sprache, erzählt Wajsbrot. Zum Deutschen hatte sie wenig Bezug. "Es war in der Schule meine zweite Fremdsprache und nicht mal meine Lieblingssprache", sagt sie. Das änderte sich erst durch einen ersten längeren Berlinaufenthalt im Jahr 2000. Wajsbrot: "Ich habe mich sofort in die Stadt verliebt." Abends im Bett büffelte sie Vokabeln. Zwei, drei Jahre später kam ihr die Idee, sie könnte sich ja mal an eine Übersetzung heranwagen. Ihre Verlegerin Laure Leroy der "Éditions Zulma" machte ihr Mut. In der "Zeit" wurde damals gerade der lange vergessene Nachkriegsautor Gerd Ledig neu entdeckt. Suhrkamp legte 1999 dessen Roman "Vergeltung" von 1956 über die alliierten Luftangriffe neu auf; dank Wajsbrot lag er nur vier Jahre später den französischen Lesern vor, weitere drei Jahre später erschien so bei Zulma auch Ledigs nächster Roman "Faustrecht", gefolgt von Stefan Heyms "Die Architekten".

Neben diesen dreien lobte die Jury des Helmlé-Preises auch Wajsbrots Übertragungen der Reiseberichte Wolfgang Büschers und des Roman "Kaltenburg" von Marcel Beyer . Manchmal habe sie mehrere Stunden über zehn Zeilen gebrütet, erinnert sie sich. Die besondere Schwierigkeit: Der Ich-Erzähler ist Vogelkundler, der Text enthält lange Auflistungen von Vogelnamen. Wajsbrot zog internationale Fachbücher zu Rate, auch solche, die im Roman erwähnt wurden. Das Problem dabei: Sie sind in aller Regel einsprachig. Und Beyer hatte zudem noch einige Vogelnamen frei erfunden. "Da musste ich dann oft den Umweg über das Lateinische nehmen, um die französische Bezeichnung zu finden", sagt sie. Die Gefahr, den fremden Text beim Übersetzen zu sehr dem eigenen Stil als Autorin anzupassen, sieht Wajsbrot für sich nicht. "Ich höre nicht meine eigene Sprache, wenn ich versuche zu übersetzen", betont sie. Und: "Ich versuche, musikalisch zu schreiben. Ich schreibe mit dem Ohr."

Deshalb war es ihr, als sie damals zu übersetzen begann, ein Herzensanliegen, Virginia Woolfs experimentellen Roman "The Waves" zu übertragen: um dessen Rhythmus besser zur Geltung zu verhelfen. Doch dass sie sich damit anmaßte, eine altehrwürdige Fassung der "Wellen" von Frankreichs Grande Dame Marguerite Yourcenar in Frage zu stellen, hat eine nicht unwichtige Literaturredakteurin ihr damals verübelt und Wajsbrots Bücher zehn Jahre lang ignoriert. Das kann Wajsbrot mit Peter Kurzeck , auch ein Autor, den sie ins Herz geschlossen hat, nicht passieren. Wenigstens für eines seiner vielen Bücher, "Mein Bahnhofsviertel", konnte sie nach jahrelangem Bemühen einen französischen Verleger erwärmen. Inzwischen sitzt sie schon am zweiten. Der Herausforderung bei Kurzeck: "Er schreibt sehr kurze Sätze, ohne Verb." Französische Sätze ohne Verb? Das scheint fast undenkbar.

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