Trennung vor dem verflixten siebten Jahr

Saarbrücken · Musikalisch waren die Deutsche Radio Philharmonie und ihr Chef Karel Mark Chichon bislang auf sehr erfolgreichem Weg. Doch nicht jedem behagte die Impulsivität des Maestro. Und seine Programme ließen auch Lücken.

 Ein Dirigent mit Feuer: Karel Mark Chichon. Foto: Astrid Karger

Ein Dirigent mit Feuer: Karel Mark Chichon. Foto: Astrid Karger

Foto: Astrid Karger

Hasta la vista! Karel Mark Chichon, nicht bloß musikalisch ein Mann von enormer Leidenschaft, hat gestern seinen Abschied von der Deutschen Radio Philharmonie (DRP) angekündigt - ankündigen lassen. Der amtierende Chefdirigent des von SR und SWR getragenen Orchesters will seinen Vertrag nicht über 2017 hinaus verlängern. Sechs Jahre wird er dann das Orchester geführt haben: der erste Chef, der die 2007 aus der Fusion von RSO Saarbrücken und RO Kaiserslautern erwachsene DRP als Gesamtes übernahm. Und nicht noch erkennbar in ihren Ursprungsteilen, wie das noch die Aufgabe von Chichons Vorgänger Christoph Poppen war.

Deshalb schon wird Chichon stets ein besonderes Kapitel der DRP-Historie gewidmet sein. Doch jetzt strebt der 44-Jährige zu neuen Zielen. Welche genau das sind, bleibt Spekulation. Sein Terminplan verzeichnet jedenfalls attraktive Gasttermine - etwa mit dem Niederländischen Rundfunkorchester. Dazu stehen Debüts in großen Opernhäusern wie der Scala an. Für eine persönliche Stellungnahme war der Brite mit Wohnsitz in Malaga gestern allerdings nicht zu erreichen. Via Pressemitteilung hieß es nur: "Nach sechs intensiven und inspirierenden Jahren als Chefdirigent der DRP sehe ich meine Arbeit im Sommer 2017 als abgeschlossen an." Chichon dankt auch dem Publikum, "das uns mit einem ausverkauften Konzert nach dem andern belohnt hat". Und quasi nahtlos knüpft SR-Intendant Thomas Kleist an: Der Dirigent habe die Konzerte der DRP in Saarbrücken wie in Kaiserslautern zu "Klangerlebnissen" gemacht, "herausragend wahrgenommen" von Publikum wie Medien.

So weit, so harmonisch. Aber so nüchtern. Als Chichon 2013 seinen Vertrag vorzeitig bis 2017 prolongierte, überboten sich Maestro und Sendergewaltige noch in hymnischen Sympathiebekundungen. Nun agiert man offenbar auf der Geschäftsebene.

Tatsächlich, erläutert Orchestermanager Benedikt Fohr, stand eine völlig routinemäßige Vertragsüberprüfung an. Usus schon deshalb, weil Dirigenten oft Jahre im Voraus verplant sind. Nur so können Orchester rechtzeitig nach neuen Chefs suchen. Nichts wirklich Überraschendes also. Und nun habe man "im gegenseitigen Einvernehmen", sagt Fohr, befunden, dass die "Ära Chichon, in der er mit der DRP vieles erreicht" habe, 2017 zu Ende gehen wird.

Tatsächlich sind die Bilder höchst unterschiedlich, die den Weg Chichons und seines Orchesters bislang festhalten. Der Dirigent setzte viel auf romanisches Repertoire, arbeitet so intensiv wie erfolgreich an der Klangsinnlichkeit. Im Handumdrehen war er hier ein Publikumsliebling, ein Star. Ein Dirigent "mit Feuer" , lobt denn auch Trompeter Peter Leiner, Mitglied des Orchestervorstandes. Chichon sei aber auch ein enorm "gründlicher" Chef, der zu 100 Prozent zu dem steht, was er macht, so temperamentvoll wie präzise. Darum will Leiner auch nicht schon auf das Ende sehen. "Wir haben noch gute zwei Jahre mit ihm", betont er. Gerade hat man doch erst mit einem Dvorak-Zyklus begonnen. Und die just bei Hänsler erschienene CD mit der ersten Sinfonie Dvoraks bekräftigt die beflügelnde musikalische Zusammenarbeit.

Andererseits gab es unter den rund 100 Musikern, so hört man, offenbar ein sehr differenziertes Meinungsbild, Pros aber auch Contras, ob die DRP von 2017 an nicht einen neuen Chef oder Chefin haben sollte. Chichon hat nun mit seiner Entscheidung auch diese Frage beantwortet. Denn bei allem, was auf seinem Haben-Konto steht: Nicht alle Musiker kamen mit dem Feuer des bekennenden Stierkampf-Freundes und Porsche-Fahrers gut zu Rande. Zudem dirigierte Chichon selbst kaum Zeitgenössisches, was traditionell aber Aufgabe von Rundfunkorchestern ist. Und dass der Brite nach mehr Internationalität strebte, war ebenfalls kein Geheimnis. Glanzvolle Konzerte in Metropolen eben, gerne auch zusammen mit seiner Frau, der Star-Mezzosopranistin Elina Garanca. Was der DRP allerdings auch eine Aufnahme auf dem feinen Klassiklabel Deutsche Grammophon bescherte. Vielleicht wollte Chichon da auch zu viel von einem Orchester , zu dessen wesentlichen Aufgaben zählt, hier in der Region zu konzertieren. Nun muss man sich auf die Suche nach einem Nachfolger gehen. Ein paar Kandidaten dafür hat man schon im Auge. Denn letztlich sind Dirigentenwechsel auch das: ein ganz normales Geschäft.

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