Spielbergs Kalter Krieg

Saarbrücken · Mit dem „Weißen Hai“, „E.T.“, „Indiana Jones“ und „Jurassic Park“ wurde Steven Spielberg zum König des Blockbuster-Kinos. Doch in den vergangenen Jahren wurden seine Filme dunkler und persönlicher. Sein jüngster, „Bridge of Spies“, führt uns nach Berlin in die Zeit des Kalten Krieges.

 Tom Hanks und Regisseur Steven Spielberg (r.) bei den Dreharbeiten zu „Bridge of Spies“. Der Film entstand in Berlin und an der Glieniecker Brücke in Potsdam, die dem Film seinen Titel gibt. Foto: Fox

Tom Hanks und Regisseur Steven Spielberg (r.) bei den Dreharbeiten zu „Bridge of Spies“. Der Film entstand in Berlin und an der Glieniecker Brücke in Potsdam, die dem Film seinen Titel gibt. Foto: Fox

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Das Geschäft mit den Blockbustern, den großen, teuren Filmen für ein großes Publikum, ist gnadenlos. Gerade ist der letzte Teil von "Die Tribute von Panem" angelaufen und gilt in den USA als kommerzielle Enttäuschung. Und das nur, weil der Film in den ersten Tagen 102 Millionen Dollar eingespielt hat - eine enorme Summe, aber eben weniger als seine Vorgänger. Wirkliche Millionengräber waren jüngst "Tomorrowland" mit George Clooney, "Die Fantastischen Vier " und "Pan"; da sacken Aktienkurse der Studios ab, Entscheider-Köpfe rollen.

Von diesem Zirkus scheint sich ausgerechnet ein Mann mittlerweile mehr oder weniger verabschiedet zu haben, der mitverantwortlich ist für die Blockbuster-Kultur: Steven Spielberg . Dessen Bestsellerverfilmung "Der Weiße Hai" wurde 1974 in ungewöhnlich vielen Kinos gestartet, unterstützt von einer riesigen Werbekampagne - der kommerzielle Erfolg war grandios, das Modell machte Schule, und Spielberg perfektionierte sein Kino der großen Bilder und Emotionen. In "Unheimliche Begegnung der dritten Art" und "E.T." ließ er freundliche Außerdirdische auf der Welt landen und Tränen der Rührung kullern; mit "Indiana Jones " setzte er dem Abenteuer-Kino der 30er Jahre, das er selbst als Kind so liebte, ein modernes Denkmal. "Jurassic Park" schließlich revolutionierte mit seinen Dinosauriern aus dem Rechner die Filmtricks.

Die Kritik reagierte lange frostig auf Spielberg, warf ihm vor, allzu manipulativ auf der Gefühlsklaviatur seines Publikums zu spielen und ein Zuckerbäcker des Kinos zu sein - auch wenn das bei "Schindlers Liste" und bei "Der Soldat James Ryan" seltener zu hören war (obwohl beide Filme am Ende der großen Sentimentalität nicht entgehen).

Insgesamt hat sich das Kino Spielbergs in den letzten Jahren verdüstert, ist persönlicher geworden, sogar in Effektfilmen wie "Minority Report" oder in "Krieg der Welten", der trotz aller Action fast wie ein Anti-"Independence Day" wirkt. Wo sich Amerika bei Roland Emmerich angesichts der Invasion aus dem All zur Multikulti-Nation (aber unter US-Leitung) mausert, kollabiert die amerikanische Gesellschaft bei Spielberg, stabil bleibt bestenfalls die Kleinfamilie.

Nachdem er sich zuletzt mit dem Ersten Weltkrieg ("The War Horse") und der US-Historie ("Lincoln") beschäftigt hatte, führt sein jüngster Film in die Zeit des Kalten Kriegs und erzählt eine reale Episode. Tom Hanks , für Spielberg schon in einigen seiner Filme so etwas wie das Symbol eines erträumten, idealen Amerikas, spielt einen US-Anwalt mit heikler Aufgabe: Er soll 1960 einen Agentenaustausch zwischen Ost und West einfädeln - einen russischen Agenten gegen einen US-Piloten, der spionierenderweise über Russland abgeschossen wurde. Der Anwalt wird deshalb hinzugezogen, weil er zwei Jahre zuvor Pflichtverteidiger des Russen war (und ihn vor der Todesstrafe rettete). "Jeder Mensch verdient eine Verteidigung" sagt er, und das ist ein Thema des Films - Bürgerrechte, die der Staat nicht antasten darf und die Spielberg und seine Drebuchautoren, die renommierten Coen-Brüder, aktuell bedroht sehen. Vor allem aber ist "Bridge of Spies" ein spannender Historien-Thriller, bis ins Detail aufmerksam ausgestattet (gedreht wurde in Deutschland und in Polen) und wie gewohnt von Spielberg souverän erzählt. Mit seiner Konzentration auf Figuren und die Schauspieler ist das kein Überwältigungs-, sondern Erzählkino eines Profis, der mit dem Alter nicht schlechter wird.

Kritik zum Film morgen in unserer Beilage "treff.region".

Zum Thema:

Auf einen BlickDie anderen neuen Filme der Woche: Die Camera Zwo (Sb) zeigt den hinreißenden Film "Ewige Jugend", in der Michael Caine als Dirigent und Harvey Keitel als Filmemacher über die Vor- und vor allem die Nachteile des Alters sinnieren. Im Filmhaus (Sb) läuft "Ephraim und das Lamm", die märchenhafte Geschichte eines Jungen in Äthiopien, und "Ich heiße Ki": Der berührende polnische Film erzählt aus dem Leben einer jungen, einsamen Mutter.In vielen Kinos startet der charmante Disney-Animationsfilm "Arlo & Spot" über die Freundschft zwischen einem Jungen der Urzeit und einem Dinsoaurier. Weniger gelungen ist die deutsche Komödie "Highway to Hellas", in der ein deutscher Bankangestellter (Christoph Maria Herbst ) in Griechenland Kulturschocks erlebt (und der Zuschauer Kalauer). Ein kleiner, böser Thriller ist "The Gift": Ein Mann trifft nach 20 Jahren einen Schulkameraden wieder, den er einst mobbte - und der nimmt nun subtil Rache. red

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