Künstlerische Grundversorgung

Köllerbach · Seit über 20 Jahren leben Katharina Krenkel und O.W. Himmel von und für Kunst. Sie häkelt, er druckt. Mit einem elitären Kunstbegriff können beide nichts anfangen – und bezeichnen ihr Kunstwerke selbstbewusst als erschwingliche „Gebrauchskunst“. Ein Portrait.

 Wie hört sich meine Skulptur an? Katharina Krenkel mit ihrem gehäkelten Hörrohr aus Kassettenband. Fotos: Rich Serra

Wie hört sich meine Skulptur an? Katharina Krenkel mit ihrem gehäkelten Hörrohr aus Kassettenband. Fotos: Rich Serra

Im Ofen lodert ein Feuer und verbreitet wohlige Wärme. Wir sitzen im Gartenhaus des Köllerbacher Künstler-Ehepaares Katharina Krenkel und O.W. (Markus) Himmel. Es ist eigentlich Krenkels - urgemütliches - Atelier. Auf dem Tisch stehen zwei aus schwarzem Videoband gehäkelte Pilze so groß wie die Kaffeekanne daneben. Im Regal stapeln sich Häkelgarne in allen Farben, wo der Blick auch hinfällt: gehäkelte Textilkunst-Objekte vielerlei Art, auch aus ungewöhnlichen Materialien wie zum Beispiel Absperrband. Häkelkünstlerin Katharina Krenkel (49) experimentiert seit über 20 Jahren mit Materialien und Formen. In ihrem "Häkellabor" hat sie mittlerweile so viele Kunstwerke ersponnen, dass Textil-Museen bundesweit sie für Ausstellungen buchen (siehe Info).

Und auch Ehemann O.W. Himmel (48) ist mit seinen Druckgrafiken erfolgreich: Für seine gedruckten Bananenkisten- und Schallplattenlabels interessieren sich auch Museen. So kaufte nicht nur das Saarlandmuseum Arbeiten an, sondern auch das renommierte Städel Museum in Frankfurt mehrere seiner Schallplatten-Druckgrafiken. Sie waren dort 2014 in einer Grafik-Schau zu sehen neben Arbeiten von Schwergewichten wie Rembrandt, Goya oder Sol Lewitt. Zurzeit sind es Wildwechsel-Schilder aus ganz Europa, die Himmel in seinen Drucken verfremdet. Seit auch Häkelarbeiten von Katharina Krenkel zur Sammlung des Städel gehören, fühlt sich das Paar als Künstler endlich gewertschätzt. "Man tritt mit einem besseren Selbstbewusstsein auf, wenn Anfragen kommen, ob man ausstellen kann", sagt Krenkel. Denn keineswegs ist eine Schau für die Künstlerin lukrativ. "Wenn es gut läuft, wird ein Werk angekauft", erzählt sie. Meistens werde aber erwartet, dass sie umsonst ausstelle und höchstens eine kleine Aufwandsentschädigung bekomme. Als ob ihr Beruf, ihre künstlerische Ausbildung nichts wert seien.

Ausstellen - das wollen die meisten Künstler. Ihre Kunst verkaufen, geschweige denn, sich selbst gut vermarkten, können die wenigsten. Und so fristen sie ihr Künstlerdasein oft in prekären Verhältnissen. Krenkel & Himmel allerdings haben aus dieser Not eine Tugend gemacht. Mit bewunderswertem Selbstbewusstsein und der oft nötigen Penetranz vermarktet O.W. Himmel seine Grafiken. Er kann auf 19 Jahre Erfahrung mit Selbstvermarktungsstrategien jenseits des Mainstreams zurückgreifen. Nicht nur im Saarland kennen ihn viele durch die "Kunst zu hause"-Abende, die wie Tupperware-Parties funktionieren. Himmel kommt mit Kunstwerken zu einem Gastgeber nach hause und verkauft dort an die Gäste. Er bedient dabei ganz bewusst das untere Preissegment. "Ich verstehe mich als Grundversorger der Bevölkerung mit Kunst, damit die nicht zu Ikea laufen muss und die immergleichen Bilder an der Wand hängen", sagt er - und meint das ganz ernst. Von O.W. Himmel gibt es Kunstwerke ab fünf Euro aufwärts. Das verderbe die Preise, monieren seine Kritiker.

Doch anders als viele seiner Künstlerkollegen empfindet er es nicht als ehrenrührig, seine Arbeiten zu erschwinglichen Preisen zu vermarkten. Dass gute Kunst teuer sein müsse, sei ein fataler Irrtum, dem viele Künstler-Kollegen aufsäßen und sich damit selbst vom Markt nähmen. "Ich will meine Kunst verkaufen, nicht nur ausstellen. Ich muss schließlich davon leben", sagt Himmel, ganz Geschäftsmann. "Wir haben immer wieder rumgekrebst und wenn es eng wird, machen wir auch andere Jobs", erzählt Katharina Krenkel. Die Eltern von vier Kindern suchten sich deshalb zwischendurch immer mal wieder "Brot-Jobs" - im wahrsten Sinne des Wortes: Bis vor kurzem verkaufte Katharina Krenkel regelmäßig Brötchen, während ihr Gatte Waren auslieferte, damit die Familie über die Runden kommt. Auf dieser Flexibilität und Offenheit für Neues beruht der Erfolg dieses ungewöhnlichen Paares, das es geschafft hat, seit über 20 Jahren als freie Künstler zu (über-) leben. Die zunehmende Anerkennung geht einher mit größerem finanziellen Erfolg, doch der Druck bleibt hoch. "Man braucht einen extrem langen Atem", sagt Krenkel.

"Ich bin ständig am rumtelefonieren", erzählt Himmel, der sich ein großes Netzwerk an Galerien, Sammlern und anderen Kontakten aufgebaut hat, mit dessen Hilfe er immer wieder neue Ideen umsetzt, sei es die Organisation einer "Kunst-Kaffeefahrt" vom Rhein-Main-Gebiet ins Saarland oder die Präsentation seiner Plattenlabels an einem eigenen Stand auf Frankfurts größer Musikmesse. Jahrelang schulte er zudem Absolventen der Kunsthochschule in Karlsruhe in einem Crash-Kurs zum Thema Selbstvermarktung als freier Künstler. Auch an der Saar-Kunsthochschule, wo beide studierten, war Himmel früher als freier Dozent tätig.

Immer wieder hat Katharina Krenkel damit gehadert, dass manche ihre textile Kunst als bloßes Kunsthandwerk abstempeln. Es sei daher "ein tolles Gefühl", dass ihre Häkelkunst-Installationen zurzeit sehr gefragt seien. Mit zusätzlichen Referenzen wie dem Städel sieht sich die Künstlerin endlich nicht mehr gezwungen, jede Anfrage anzunehmen, auch wenn es kein Honorar gibt.

Mittlerweile sagt das Paar selbstbewusst: "Wir machen Gebrauchskunst mit Bezug zur Alltagskultur". Wer mit Krenkels großartigen gehäkelten Busentopflappen (www.busentopflappen.de ) schon mal ein Blech aus dem Ofen holte, hat genau diese sinnlich-ästhetische Erfahrung gemacht. Neben der "Gebrauchskunst" entstehen aber auch große Installationen und serielle Arbeiten, die 2014 zum Beispiel im Deutschen Textilmuseum in Krefeld oder im Botanischen Garten in Berlin zu sehen waren.

Katharina Krenkel & O.W. Himmel sind stolz auf ihr -wie sie es nennen - "Anti-Modell" zum konventionellen Kunstmarkt, denn die langjährige Praxis zeige: Es funktioniert - jedenfalls meistens.

 Motiv aus O.W. Himmels „Wildwechsel“-Grafik-Serie.

Motiv aus O.W. Himmels „Wildwechsel“-Grafik-Serie.

 Katharina Krenkel und O.W. Himmel vor Krenkels Gartenhaus-Atelier in Köllerbach, wo das Paar mit seinen vier Kindern lebt.

Katharina Krenkel und O.W. Himmel vor Krenkels Gartenhaus-Atelier in Köllerbach, wo das Paar mit seinen vier Kindern lebt.

Zum Thema:

Auf einen BlickWerke von Katharina Krenkel sind bis 15. Februar im Museum Tuch und Technik in Neumünster zu sehen, danach wandert die Schau ins Tuchmachermuseum nach Bramsche bei Osnabrück. Ab 26. April: Textilausstellung in Schmallenberg im Sauerland. Im Juni stellt Krenkel in der Ulmer Galerie im Kornhaus aus und in der Themenschau "Paradies" im Kloster Weingarten am Bodensee. Im September ist dann ein gemeinsames Ausstellungsprojekt des Künstlerpaares Krenkel/Himmel mit der Städtischen Galerie Albstadt geplant. esb

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