Revolution!

Kaiserslautern · Regisseur Michael Sturm hat Stanislaw Moniuszkos Oper „Halka“ inszeniert – und in einigen Aspekten umgedeutet. Premiere war am Samstag im Pfalztheater Kaiserslautern.

 Arlette Meißner als verliebte Halkam, Bernd Valentin als Janusz. Fotos: Brehm-Seufert / Theater

Arlette Meißner als verliebte Halkam, Bernd Valentin als Janusz. Fotos: Brehm-Seufert / Theater

Wie weit darf ein Regisseur gehen, um eine Oper zeitgemäß zu gestalten? Bei Stanislaw Moniuszkos Oper "Halka" steht die Regie vor genau dieser Frage. Denn Moniuszkos Werk ist von musikalischen Diamanten durchsetzt, das Libretto aber ist einfach, die Geschichte oft banal: Ein leibeigenes Bauernmädchen liebt seinen Herrn, erwartet von ihm ein Kind. Der aber heiratet standesgemäß, verstößt das Mädchen, das sich, wahnsinnig geworden, in einen Wasserfall stürzt und stirbt.

Um zu verstehen, warum "Halka", in Deutschland kaum gespielt, in Polen als Nationaloper gilt, muss man die Entstehung verstehen. 1848, als Polen geteilt war und unter Fremdherrschaft stand, hat Moniuszko nicht nur ein Stück in polnischer Sprache auf die Bühne gebracht, er thematisiert auch noch die Willkür der Herrschaft gegenüber dem Volk. Und spickt die Oper mit traditionellen polnischen Tänzen. Eine musikalisch-nationalistische Revolution mit Helden, die nicht aus dem Adel kommen, sondern aus der rechtlosen Bauernschaft.

Regisseur Michael Sturm hat genau diesen Revolutionsaspekt zur Basis seiner Kaiserslauterner Inszenierung gemacht. Und weil das Libretto das nicht hergibt, hat Sturm Text und Bühnenbild seiner Interpretation angepasst: Statt aus verzweifelter Liebe stürzt sich Halka nun als Patriotin in den Tod, die Bergbauern, Fatalisten, die sich murrend in ihr Schicksal fügen, sind jetzt revolutionäre Zwangsarbeiter.

Für Besucher, die das Original kennen, ist das zumindest verstörend. Dem positiven Gesamteindruck tut das keinen Abbruch. Arlette Meißner ist eine stimmlich ebenso brillante wie bezaubernde Halka, die mal verliebt über die Bühne tanzt, mal im Wahn ihr totes Kind betrauert. Ihre melancholischen Arien bilden die Höhepunkte der Oper , gemeinsam mit der Arie ihres Jugendfreundes Jontek (grandios: Alexander Geller), der seiner verlorenen Liebe nachtrauert. Auch das Bühnenbild (Stefan Rieckhoff) ist gelungen. Minimalistisch und doch farbenfroh verkörpert es in den ersten zwei Akten die Welt der Herrschaft. Dass im dritten Akt die Bergwelt zum Arbeitslager mutiert, ist gewöhnungsbedürftig - aber in dieser Interpretation stimmig.

Einzig der Schluss enttäuscht: Erst gleitet Regisseur Sturm in den Kitsch ab, wenn er nach Halkas Tod eine weiße Taube in den Himmel steigen lässt. Und dann verzichtet er auf die Schlüsselszene, wenn nämlich trotz Halkas Freitod die Bauern gezwungen werden, fröhliche Lieder zur Hochzeit anzustimmen. Genau die Szene, in der die Revolutionsoper aufblitzt, zu der Sturm sie zuvor stilisiert hat. Hier hat er sich eine Chance vergeben.

Termine: Morgen, 12., 23. und 28. Juni; 10. und 18. Juli.

Karten: Tel. (06 31) 367 52 09.

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