Eine fantastische Affäre

Hamburg · Die Ausstellung über den spanischen Künstler Miró im Bucerius Kunst Forum zeigt, wie sehr den Maler Dichtung inspirierte. In seinen Werken spiegelt sich diese Liaison als verspielte, surrealistische Verschmelzung.

 Das Buch in Mirós Bild „Das Pferd, die Pfeife und die rote Blume“ ist von dem französischen Schriftsteller Jean Cocteau und heißt „Hahn und Harlekin“. Fotos: VG Bild-Kunst, Bonn

Das Buch in Mirós Bild „Das Pferd, die Pfeife und die rote Blume“ ist von dem französischen Schriftsteller Jean Cocteau und heißt „Hahn und Harlekin“. Fotos: VG Bild-Kunst, Bonn

 Der Bildname „Gedicht“ betont die enge Verbindung zur Poesie (l.). Daneben: „Das kleine blonde Mädchen im Vergnügungspark“.

Der Bildname „Gedicht“ betont die enge Verbindung zur Poesie (l.). Daneben: „Das kleine blonde Mädchen im Vergnügungspark“.

Kunstdrucke, Kalender, Postkarten, Kaffeebecher und was die Merchandise-Industrie sonst noch an massenkompatiblen Scheußlichkeiten bereithält: Joan Miró (1893 bis 1983) ist ein populärer Maler , dessen leicht eingängige Motive auch bei denjenigen beliebt sind, die nicht regelmäßig die Schwelle eines Museums überschreiten. Kunstkenner lassen ihn und sein spielerisch aufgeladenes Werk dagegen eher ein wenig links liegen. Vielleicht zu Unrecht. "Die akademische Kunstgeschichte muss Miró erst noch entdecken. Sie hat ihn gemieden. Es ist daher auch nicht bewusst, wie sehr er in die Avantgarde eingebunden war", sagt jedenfalls Ortrud Westheider, die Direktorin des Bucerius Kunst Forums in Hamburg . In der Ausstellung "Miró. Malerei als Poesie" untersucht das Ausstellungshaus jetzt erstmals einen weitgehend unbeachteten Aspekt seines Werkes: Wie sehr hat sich Miró von der literarischen Avantgarde seiner Zeit, namentlich im Paris der 1920-er Jahre, inspirieren lassen? Und inwiefern wirkten seine Bilder zurück, indem sie befreundete Poeten zu Texten ermunterten?

Rund 80 Werke aus allen Schaffensperioden Mirós sind zu sehen, darunter über 40 Gemälde und ebensoviele, häufig aufwändig gestaltete Bücher und Mappen, die prominent in großen Vitrinen präsentiert werden. Im Medium des Buches entstanden bedeutsame Gemeinschaftswerke mit so bekannten Dichtern wie Paul Éluard , René Char , Pablo Neruda oder Alfred Jarry . 1700 Bände, so berichtet Juan Punyet Miró, der extra aus Mallorca angereiste Enkel des Künstlers, umfasse die Bibliothek seines Großvaters, die heute in der Fundació Joan Miró in Barcelona aufbewahrt wird. Darunter finden sich Werke von Shakespeare, Goethe, Dostojewski, Nietzsche oder Rimbaud.

Sein Großvater habe einen geregelten Tagesablauf gehabt: Von 9 bis 14 Uhr Malen, dann zwei Stunden Mittagessen, danach eine halbe Stunde Siesta. Anschließend widmete er sich dem Studium literarischer Werke. Nachts im Atelier drehte er dann noch einmal so richtig auf.

Die chronologisch aufgebaute Ausstellung setzt ein mit Mirós Frühwerk. Bereits auf einem noch dem Kubismus verhafteten Stillleben mit Schaukelpferd, Tonpfeife und Glas ist ein aufgeschlagenes Buch zu sehen. Auf dem Stillleben "Nord-Sud" von 1917 sind ein Goethe-Band sowie der Schriftzug der Titel gebenden Literaturzeitschrift zu erkennen.

Mit dem Umzug nach Paris 1920 kam der Wendepunkt. Miró begann, die Gegenstände aufzulösen. Erste monochrome Bilder entstanden. Die wenigen noch übrig gebliebenen Formen und Figuren scheinen jetzt zeichenhaft vor dem Fond zu schweben. Miró verkehrte in Pariser Dichter- und Künstlerkreisen, wo seine Bilder großen Anklang fanden. "Es ging den surrealistischen Dichtern darum, die Sprache von der rationalen Geste zu befreien, um dem Leser die eigenen Assoziationen zu öffnen. Miró hat diese Befreiung unterstützt und sich Gedanken gemacht, wie man das in Malerei umsetzen kann", erläutert Ortrud Westheider. Ausgehend von der Schrift entwickelte er eine vollkommen neue, sehr eigenwillige Bildsprache. Auch wenn auf vielen seiner Bilder an Schriftzeichen erinnernde Symbole erkennbar sind, so entfalten diese jedoch keinerlei semantische Logik. Sie mutieren vielmehr zu schwebenden, poetischen Formen zwischen Landschaften, Körpern und Kosmos. Die Freundschaft mit Surrealisten wie André Breton oder Louis Aragon ermunterte Miró Mitte der 1920er Jahre zu immer fantastischeren Bildideen. Weibliche Körper treffen auf Sterne, Sonnen und Vogelköpfe. Über allem schwebt eine große Leichtigkeit, die, auch das zeigt die Hamburger Schau, 1936 nach der Machtübernahme durch Franco zunächst einmal umkippt. Unter dem Schock der Ereignisse entstehen vorübergehend auch Bilder voller düsterer Dramatik. Noch einmal Ortrud Westheider: "Die politische Dimension dieses Künstlers wird hier sehr deutlich. Dies alles trägt zur Revision von Miró bei."

Miró. Malerei als Poesie. Bucerius Kunst Forum, Hamburg . 31. Januar bis 25. Mai 2015. Mo-So 11-19 Uhr, Do 11-21 Uhr.

buceriuskunstforum.de

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