In der flauschigen Wohlfühlwelt: Daniel Glattauers „Geschenkt“

Ein Journalist und ein großzügiger Wohltäter, der immer wieder 10 000 Euro für soziale Zwecke springen lässt – das sind die Hauptzutaten für Daniel Glattauers „Geschenkt“. Es ist ein Roman, dessen Heile-Welt-Inszenierung irgendwann zu nerven beginnt.

Die Welt ist schlecht, mag sich Daniel Glattauer überlegt haben, dann darf nicht auch noch die Literatur davon handeln. So nahm er sich für seinen Roman "Geschenkt" eine ungewöhnliche Großtat als Vorbild. In Braunschweig hatte vor wenigen Jahren ein anonymer Spender immer wieder 10 000 Euro an Hilfsbedürftige verschenkt, über die zuvor in der Zeitung zu lesen war.

Übertragen auf Wien geht das so: Gerold "Geri" Plassek ist schlecht bezahlter Journalist einer niveaulosen Gratiszeitung, zuständig für die Bereiche Soziales und "die bunten Meldungen zum Tag". Er ist ein "konsum-desorientierter, unrasierter, schlampig gekleideter, dezent versoffener Kerl", außerdem Vater der 15-jährigen Florentina, von deren Mutter er längst geschieden ist. Und weil es in diesem Roman um Wohltaten geht, erfährt Geri gleich auf den ersten Seiten, dass er auch Vater eines Sohnes ist - und das bereits seit 14 Jahren. Auf den soll er gelegentlich aufpassen, weil die Mutter, schon wieder eine gute Tat, bei Ärzte ohne Grenzen arbeitet und nach Somalia reist. So sitzt Manuel bei Geri im Redaktionsstübchen und macht Hausaufgaben, während der Mann für Vermischtes an seinen Zeilen feilt. Immerhin hat eine dieser Meldungen über eine überfüllte Obdachlosen-Schlafstätte zumindest bei einem Menschen für Interesse und Nachdenken gesorgt, denn die finanziell schlecht gestellte Einrichtung erhält kurze Zeit später einen Umschlag mit 10 000 Euro Bargeld und Plasseks Zeitungsnotiz.

Es ist der Beginn einer überraschenden Serie von Zuwendungen und Spenden, immer liegen neben den 10 000 Euro in bar die von Geri verfassten Berichte. Parallel dazu gerät Geris Leben aus seinem zuvor eher stumpfsinnigen Takt. Die Kneipenabende werden weniger und kürzer, er wechselt auch zu einer seriösen Zeitung, wo er große Sozialreportagen schreiben darf, die dann Spenden nach sich ziehen.

Und weil es hier um Gutes geht, sind auch alle Menschen in Glattauers Romanwelt wahnsinnig nett: der Kneipenwirt und die Zechkumpanen, der neue Chefredakteur und die alte Kollegin, seine Kinder und die Ex-Frau, sogar deren Mann, und die Frau Mama sowieso. In dieser flauschigweichen Wohlfühlwelt, in der die Probleme auf wundersame Weise gelöst werden können, sehnt man sich geradezu nach den üblichen Härten des Lebens. Doch bei Glattauer geht alles gut. Am Ende sorgt er immerhin noch für eine Überraschung.

Daniel Glattauer : Geschenkt. Deuticke, 335 Seiten, 19,90 €

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