Cannes: Finale eines mäßigen Jahrgangs

Cannes. Erst Kristen Stewart. Dann Zac Efron. Schließlich Robert Pattinson. In den vergangenen Tagen tauchte täglich ein anderer Teen-Star in Cannes auf, lief über den roten Teppich, die Fans quietschten vor Verzückung. Die Wettbewerbsfilme, für die sie eingeflogen waren, konnten allerdings von "Twilight" oder "High School Musical" nicht weiter entfernt sein

Cannes. Erst Kristen Stewart. Dann Zac Efron. Schließlich Robert Pattinson. In den vergangenen Tagen tauchte täglich ein anderer Teen-Star in Cannes auf, lief über den roten Teppich, die Fans quietschten vor Verzückung. Die Wettbewerbsfilme, für die sie eingeflogen waren, konnten allerdings von "Twilight" oder "High School Musical" nicht weiter entfernt sein.Pattinson ist bei seinen Bestrebungen, sich vom Teen-Image zu lösen, bei David Cronenberg und dessen Don-DeLillo-Adaption "Cosmopolis" gelandet: Er spielt einen Jung-Millardär und Hyperkapitalisten, der sich in einer Stretchlimousine durch New York fahren lässt und unterschiedlichste Begegnungen hat: Sex und viele Gespräche, die immer wieder ums Geld kreisen und damit natürlich auch auf aktuelle Proteste und Occupy weisen. In Cronenbergs metallisch kühlem Philosophierkino macht Pattinson eine passable Figur - selbst mit nur einem Gesichtsausdruck.

Auch Zac Efron überraschte in "Paperboy" von Regisseur Lee Daniels. Zwei Reporter rollen in den schwülen Sümpfen Floridas den Mordfall an einem rassistischen Sheriff neu auf - davon erzählt der Film in kruder 70er-Jahre-B-Movie-Ästhetik und besetzt seine Stars lustvoll gegen den Strich: Matthew McConaughey als schwulen Reporter, John Cusack als Psychopath und Nicole Kidman, gut wie lange nicht mehr, als aufgedonnerte Unterschichts-Hausfrau, eine übersexualisierte Barbie-Puppe.

Gegen "The Paperboy" wirkt Walter Salles Verfilmung von Jack Kerouacs Beatnik-Manifest "On the road" doppelt bieder und sedierend. Über zwei lange Stunden folgt der brasilianische Filmemacher den jungen Rebellen und entwirft einen dahinplätschernden Bilderfluss, der immer um die selben Themen kreist: Heldonismus. Drogen. Sexuelle Freizügigkeit. Freiheit. Literatur. Sieben Jahre hat Salles an der Adaption gewerkelt und doch einen ziemlich unfokussierten Film gedreht: Ohne einen Eindruck des damaligen Lebensgefühls und ohne jede rebellische Reibung herausgelöst aus dem gesellschaftlichen Kontext. Ein seltsamer Stillstand in einem Film über das Unterwegssein.

Der Kreis der Favoriten hat sich in der zweiten Festivalhälfte im sehr wechselhaften Wettbewerb kaum erweitert. Michael Hanekes Altersliebesgeschichte "Amour" liegt in der Gunst der Kritiker nach wie vor weit vorne, auch Cristian Mungius rumänisches Klosterdrama "Beyond the Hills" und die Theater-Film-Fusion "Vous n'avez encore rien vu" von Alain Resnais. Gemessen am ersten Applaus müsste allerdings Leos Carax vorne liegen. "Holy Motors" ist ein wagemutiger, rätselhafter Gaga-Trip mit bizarr absurdem Humor. Kylie Minogue, Eva Mendes und Michel Piccoli spielen mit, allen voran Denis Lavant, der wie Pattinson in "Cosmopolis" mit einer Stretchlimo unterwegs ist und bei seiner Fahrt durch Paris als Schauspieler in unterschiedlichste Rollen schlüpft. Es geht ums Kino, um Identitäten, ums Ende - irgendwie. Doch was das alles genau zu bedeuten hat? "Ich weiß es nicht, ich habe meinen Film nicht gesehen", ließ Lavant die Frage abperlen. So viel Eigenwilligkeit war in Cannes leider in diesem Jahr sonst nirgends zu entdecken. ret

Foto: AFP

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