Dekonstruktion des Cowboys

Colorado in den 1870ern: Der britische Adelssprössling Jay Cavendish ist in Amerika auf der Suche nach seiner verschollenen Liebe Rose. Sein hartgesottener Begleiter hingegen, der Kopfgeldjäger Silas Selleck (Michael Fassbender), wittert das große Geld. Die ungleichen Gefährten ziehen in den von düsteren Gestalten bevölkerten Wilden Westen. SZ-Mitarbeiter Dieter Oßwald sprach mit dem britischen Regisseur John Maclean über sein Filmdebüt, ein verblüffender Spagat zwischen Abgesang und Neubeginn des Genres Western.

 Frisch rasiert in der Wildnis: Kopfgeldjäger Silas Selleck (Michael Fassbender) kümmert sich um den jungen Adeligen Jay (Kodi Smit-McPhee). Foto: Prokino/Fox

Frisch rasiert in der Wildnis: Kopfgeldjäger Silas Selleck (Michael Fassbender) kümmert sich um den jungen Adeligen Jay (Kodi Smit-McPhee). Foto: Prokino/Fox

Foto: Prokino/Fox

Mister Maclean, wären Sie mit dem Prädikat "romantischer Western" einverstanden?

Maclean: Absolut, für mich ist "Slow West" unbedingt ein romantischer Western - auch wenn die Romantik am Ende nicht unbedingt immer gewinnt. Entscheidend ist, dass die Sache nicht zynisch ausfällt. Es gibt ja auch eine romantische Seite in ganz praktischen Dingen.

Was würde John Wayne zu diesem Konzept sagen?

Maclean: Lustigerweise liegt John Wayne in seinen frühen Western gar nicht so weit entfernt, denn da wurde jede Menge an Melodramatik geboten. Und mit "Red River" hat John Wayne doch ebenfalls einen ziemlich romantischer Western gedreht…

Allerdings waren die Helden nie so unschuldig wie Ihrer...

Maclean: Das stimmt, so viel Unschuld wie bei unserem Helden hat es dort nie gegeben! (Lacht) Ich bin mir also nicht ganz sicher, was John Wayne von unserer Dekonstruktion des Cowboys halten würde, zumal er aus Europa stammt.

Was sind die drei wichtigsten Zutaten für einen Western?

Maclean: Auf jeden Fall braucht man eine große Schießerei, das bietet jeder gute Western. Zweitens braucht man Heldenverhalten unter Männern: Wann ist ein Mann ein Mann? Drittens wären ein paar Pferde nicht ganz schlecht.

Bei Ihnen bekommt der junge Held vom älteren eine fast zärtliche Rasur, später reitet man gemeinsam in Unterhosen durch die Prärie - wie steht es um den schwulen Subtext des Männerabenteuers?

Maclean: Es verhält sich wohl wie im Gefängnis: Wenn die Frauen fehlen, beginnen Männer zwangsläufig miteinander zu flirten - was nicht unbedingt zu sexuellen Aktionen führen muss. Solche Flirts basieren vermutlich viel mehr auf schierer Langeweile und Verzweiflung. Bei uns sind das alles nur Andeutungen, ich wollte mit "Slow West" keinen zweiten "Brokeback Mountain" präsentieren.

Welche sind die drei schlimmsten Klischee in einem Western?

Maclean: Schwingtüren in Saloons. Sheriff-Sterne. Und Typen, die Kautabak auf den Boden spuken. Ich habe mir alle Mühe gegeben, den Klischees des Genres weiträumig aus dem Weg zu gehen und stattdessen surreale und märchenhafte Elemente in meinen Film einfließen zu lassen.

Heldenhafte Duelle zählen sicher ebenfalls dazu, nicht umsonst sterben die Opfer in "Slow West" vorzugsweise durch Schüsse in den Rücken...

Maclean: Stimmt, ich sehe keine große Heldentat im Töten. Mir missfällt es auch, wenn man im Kino Gewalt zeigt, ohne die Konsequenzen zu schildern. Für mich muss die Gewalt ganz schnell passieren, und die Auswirkungen danach müssen quälend lange sein.

Ihr Hauptdarsteller Michael Fassbender ist demnächst im bluttriefenden "Macbeth" zu erleben. Was macht ihn zum idealen Westernhelden?

Maclean: Michael kann wohl alles spielen, er wäre auch der perfekte James Bond . (Lacht) Ich glaube, er wollte schon lange einmal in einem Western auftreten. Dass er trotz seiner physischen Präsenz hier jedoch nicht als der typische Held im Sattel auftritt, macht die Sache umso interessanter. Seine Figur hätte in anderen Händen schnell zum Klischee des harten Einzelgängers werden können. Aber Michael verleiht der Rolle spezielle Verletzlichkeit.

Wie haben Sie seinen jungen Gegenspieler Kodi Smit-McPhee entdeckt?

Maclean: Kodi spielt an der Seite von Viggo Mortensen in "The Road", wo er mir gut gefiel. Neben Viggo hat er bereits mit anderen großen Stars gearbeitet, dank dieser Erfahrungen wirkt er überhaupt nie eingeschüchtert, wenn er neben Michel Fassbender steht. Kodi ist ein selbstbewusster, junger Mann, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht.

Läuft im Camera Zwo

in Saarbrücken.

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