Das Genie und seine Spuren

Bonn · Michaelangelo hat unzählige Spuren in der Kunst hinterlassen. Die Bundeskunsthalle in Bonn geht einigen davon mit einer Ausstellung nach; Originalwerke des Universalgenies sind allerdings nicht zu sehen.

 Ein Blick in die Ausstellung. Von links: Hans Morincks „Zwei Schächer“ aus dem 17. Jahrhundert, Georg Petels „Guter und Böser Schächer“ (um 1625), an der Wand Alfred Hrdlickas Studie für das Albertina-Mahnmal (1988) und „Gladiator II“ (1971). Foto: Ertl/Bundeskunsthalle

Ein Blick in die Ausstellung. Von links: Hans Morincks „Zwei Schächer“ aus dem 17. Jahrhundert, Georg Petels „Guter und Böser Schächer“ (um 1625), an der Wand Alfred Hrdlickas Studie für das Albertina-Mahnmal (1988) und „Gladiator II“ (1971). Foto: Ertl/Bundeskunsthalle

Foto: Ertl/Bundeskunsthalle
 „Christus am Kreuz“ von Alessandro Turchis, um 1600. Foto: Kunsthistorisches Museum Wien

„Christus am Kreuz“ von Alessandro Turchis, um 1600. Foto: Kunsthistorisches Museum Wien

Foto: Kunsthistorisches Museum Wien

Als "göttlich" hat der Künstlerbiograf der Renaissance, Giorgo Vasari, ihn dutzendfach gewürdigt. Nicht ganz so respektvoll hat es drei Jahrhunderte später Vincent van Gogh formuliert, der die Figuren des Meisters herrlich fand, "obwohl die Beine entschieden zu lang, die Hüften und das Hinterteil zu breit sind". Dennoch reiht man Michelangelo Buonarroti (1475-1564) heute in die Riege legendärer Künstler ein. "Kein anderer als Michelangelo , auch nicht Raffael , Dürer oder Tizian , übte eine ähnlich umfassende, die künstlerischen Gattungen übergreifende, lange und kontinuierliche Ausstrahlung aus." Das meinen die Kuratoren der Ausstellung "Der Göttliche - Hommage an Michelangelo ". Sie versucht in der Bundeskunsthalle in Bonn , einigen der unzähligen Spuren des Einflusses der Kunst Michelangelos zu folgen. Nein, Originalwerke von Michelangelo gibt es nicht zu sehen. Das Universalgenie, das Bildhauer und Maler, Architekt und Dichter war, bleibt im Hintergrund, taucht in Form von Porträts und Fotos seiner Werke auf. In den Arbeiten der Künstler, die Michelangelos Wirkung dokumentieren, reicht die Spanne von Abgüssen und Kopien wie der von Robert Le Voyer, der das "Jüngste Gericht" als Ölgemälde anfertigte, bis zu Interpretationen - etwa im Werk von Fritz Wotruba und Alfred Hrdlicka . Die Österreicher stellen wie Michelangelo die menschliche Figur ins Zentrum ihrer Plastiken, in stark abstrahierender Weise. Oder sie thematisieren das Herausarbeiten der Figur aus dem (Marmor-)Block, was das Werk bewusst als unvollendet erscheinen lässt.

Auch Michelangelos Fresken der Sixtinischen Kapelle werden in der thematisch aufgebauten Ausstellung angesprochen. Zeitgenosse Giorgio Ghisi überführte Szenen in Kupferstiche, während sich Nachfolger Rubens mit Studien einzelner Figuren begnügt hat. Dramatisches Muskelspiel und ausdrucksstarke Gesten, eine Sprache der Körper, die Gewalt, Leid und Liebe vermittelt - die Figuren des Meisters dienten schon zu seiner Lebzeit als Anschauungs- und Lehrmaterial.

1499 vollendete Michelangelo seine Pietà für den Petersdom. Sie begründete den Aufstieg des Künstlers. Auch der Auseinandersetzung in Öl von Annibale Carracci ist die ungeheure Intensität der Mutter-Sohn-Szene des Vorbilds eingeschrieben. Das Original zeugt von der tiefen Religiosität Michelangelos. Der Künstler schuf zudem eine Reihe von Andachtsbildern - etwa für die Dichterin Vittoria Colonna, mit der er den Wunsch nach einer Reform der katholischen Kirche teilte. Selbst diese privaten Zeichnungen, unter denen auch ein Christus war, der sich verzweifelt am Kreuz windet, fanden in Form von Kopien eine schnelle Verbreitung - wohl auch mit Zustimmung des Künstlers, der durchaus mit der Mehrung seines Ruhmes einverstanden war. Auch an andere Zeitgenossen verschenkte Michelangelo Zeichnungen.

Durch seine Intensivierung der Formensprache hat er nicht zuletzt die christliche Ikonografie verändert. Die Ausstellung will mit Exponaten von Künstlern wie Cézanne, Rodin und Yves Klein , Henry Moore , Georg Kolbe, Markus Lüpertz und Valie Export belegen, dass der Einfluss des Renaissance-Meisters die Jahrhunderte überdauert hat. Das mag man gerne glauben, doch bleibt dies an mancher Stelle mangels stringenter Argumentation nur Behauptung. Was verbindet etwa Caravaggios "Johannes der Täufer ", der ohne Frage jeder Ausstellung zur Ehre gereicht, mit Michelangelo ?

Bis 25. Mai. Informationen unter: Tel. (02 28) 917 12 00 und www.bundeskunsthalle.de

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