„Ich wollte immer raus“

Liedermacher Klaus Hoffmann ist ein regelmäßiger Gast in unserer Region. Der Berliner Musiker, Autor und Jacques-Brel-Fan, der als Schauspieler 1976 mit „Die neuen Leiden des jungen W.“ bekannt wurde, hat ein neues Album eingespielt. „Sehnsucht“ heißt es, und Hoffmann stellt es mit seiner Band am Donnerstag in der Congresshalle in Saarbrücken vor. SZ-Redakteur Tobias Kessler hat mit dem 63-Jährigen gesprochen.

 Sänger und Schauspieler Klaus Hoffmann. Foto: Malene

Sänger und Schauspieler Klaus Hoffmann. Foto: Malene

Foto: Malene

Das wird zurzeit wohl jeder Berliner gefragt - was haben Sie empfunden, als die Mauer fiel?

Hoffmann: Ich war erfreut, hatte aber auch die alte Angst des Nachkriegskinds, das ich ja bin. Für meine Verwandten in der DDR habe ich ich mich natürlich sehr gefreut. Aber ich war auch erschreckt, weil ich nicht wusste, was da genau passiert. Ich hatte die Angst, dass sich vor allem die "besseren Deutschen" vereinen. Spießer. Leute, die einen drangsalieren und sowieso die Mauer im Kopf haben. Aber glücklicherweise verlief es anders. Menschlicher.

Während Berlin sich freute, waren Sie auf Tournee. Am 16. November 1989 sind Sie hier in der Congresshalle aufgetreten. Dachten Sie da nicht dass Sie am falschen Ort sind?

Hoffmann: Neee. Ich bin ja ein Fremdler - ich habe mich in der Fremde immer mehr zuhause gefühlt als Zuhause. Westberlin war für mich eine Insel, ich wollte immer raus, in die Fremde - gerne auch nach Saarbrücken, um mal einen charmanten Schlenker zu machen.

Dort treten Sie ja bei fast jeder Ihrer Tourneen auf.

Hoffmann: Wir haben dort immer besonders viel Publikum. Ich nehme an, da gibt es so eine proletarische Verbindung zwischen Saarbrücken und Berlin .

David Bowie kam in den 70er Jahren nach Berlin , um die manchmal beklemmende Atmosphäre der Stadt für sich zu nutzen. Das muss für einen Berliner ja etwas anmaßend klingen, wie eine Art Elendstourismus.

Hoffmann: Naja, das sollten Sie ihm mal selber sagen. Sein Berlin-Album "Heroes" fand ich jedenfalls entsetzlich. Ich war in dieser Zeit sehr arrogant, einfach weil Bowie ein Weltstar war - und ich kam eben aus meinem Kiez Berlin .

Bowie nahm damals im legendären Hansa-Studio in der Nähe der Mauer auf - Sie auch?

Hoffmann: Ja, wir hatten sogar denselben Toningenieur und waren bei der selben Plattenfirma, RCA. Deren Chef jammerte immer über Bowie und seine große Entourage, die unglaublich auf die Kacke gehauen hat. Für Bowie war die Stadt sicher eine Befreiung. Wer damals nach Berlin ging, der floh entweder vor der Wehrpflicht oder vor der Vergangenheit.

Wie hat sich die Stadt verändert? Mehr Freiheit und Weite?

Hoffmann: Ja, aber diese Freiheit muss man auch aushalten, den Pluralismus und das Bunte. Berlin kann sehr rau sein, ist eher Schwarz- als Knäckebrot. Im Saarland haben Sie erfreulicherweise Frankreich vor der Tür. Wir hatten nur die Alliierten, die ich heute vermisse.

Wirklich?

Hoffmann: Ja, auch wenn das eigenartig klingt. Die Amerikaner fand ich in den Filmen immer attraktiv, die Engländer mochte ich wegen ihrer Songwriter und die Franzosen sowieso - die zeigten einem, wie man ist.

Und die Russen?

Hoffmann: Vor denen hatten wir immer Angst. "Die Russen kommen" hieß es immer. Eine Nachkriegslast. Irgendwann tauschten wir die Klischees gegen die Wirklichkeit ein. Da sind sich alle Soldaten gleich.

In eine andere Stadt ziehen wollten Sie nie?

Hoffmann: Paris würde mich interessieren, aber da braucht man sehr viel Geld. Ich fahre gerne aus Berlin raus und komme dann auch gerne wieder.

Das Musikgeschäft hat sich sehr verändert, Album-Verkäufe sind massiv eingebrochen. Kann man mit CDs noch Geld verdienen?

Hoffmann: Trotz allem verkaufen wir immer noch mehr CDs als man denkt, aber es ist ein Kampf. Bei Band-Auftritten sind wir mit zwei Trucks unterwegs, da sind wir froh, wenn die Tournee Plus-Minus-Null aufgeht. Bei Solokonzerten oder Lesungen ist das anders.

Sie haben lange nicht mehr geschauspielert. Warum nicht?

Hoffmann: Es lief ja gut als Sänger, und daher war ich zu oft unterwegs. So konnte ich zum Beispiel eine Rolle in Bernhard Sinkels "Väter und Söhne" nicht annehmen. Das hätte ich gerne gemacht, schon alleine wegen Burt Lancaster und Julie Christie. Die Rolle hat dann Herbert Grönemeyer gespielt.

Die Kombination Schauspieler-Sänger ist hier ja viel seltener als etwa in Frankreich.

Hoffmann: Das deutsche Publikum ist sehr treu, aber etwas unflexibel. Die Knef tat es, Juhnke auch, Grönemeyer auch. Mit mir wäre das auch möglich, wenn ich ein gutes Angebot für einen Film bekomme. Es gibt nicht so viele bei uns, die das beidhändig machen. Der Schreiber gibt den Text, der Schauspieler trägt ihn auf die Bühne, der Sänger singt ihn. An sich perfekt, auf drei Beinen zu gehen. Ein Abenteuer.

Konzert: Donnerstag, 20 Uhr, Congresshalle Saarbrücken. Karten: Tel. (06 81) 418 01 81.

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