„Eine Göttin allein reicht nicht“

Mit allen seinen Romanen schlingert Bodo Kirchhoff, 66, um das Thema Liebe zwischen Frau und Mann herum. Seine neue Romanfigur Hinrich ist ein Neurotiker, besessen von Frauen. Warum sich Kirchhoff über diesen getriebenen Helden mit der Liebe auseinandersetzt, hat SZ-Mitarbeiter Roland Mischke im Gespräch mit dem Autor herausgefunden.

Der Ich-Erzähler in Ihrem Roman ist ein Frauen-Fan. Braucht ein Mann im Leben mindestens drei Frauen , wie Ihr neuer liter-arischer Held?

Bodo Kirchhoff : Hinrich ist von der Anerkennung von Frauen abhängig, er ist eher ein Anbeter als ein jubelnder Fan. Es stimmt allerdings, dass eine Göttin allein nicht reicht, um seinem Leben Sinn zu geben.

Seine Frau Irene ist für Hinrich bis zu ihrem Tod ein Idol. Marianne hat er sich einige Zeit als erotische Abwechslung nebenher gehalten. Zusan aus Polen, die Jüngste von allen, betreut und begleitet ihn zärtlich und hingebungsvoll in seine Ruhestandsphase, im "Ausbessern meiner abgewetzten Tage". Alle drei bedeuten ihm viel.

Kirchhoff: Hinrich tun diese Frauen gut, er braucht sie für sein Glück. Aber jede Generalisierung, dass ein Mann drei Frauen brauche, ist falsch.

Die Liebe , heißt es bei Ihnen, sei "das einzige Gefühl von Weltrang". Je älter Sie werden, desto wichtiger scheint das für Sie zu sein. Schon in Ihrem vor zwei Jahren erschienenen Roman "Die Liebe in groben Zügen" ging es darum? Sind Sie ein Liebhaber der Liebe , obwohl sie doch so oft verloren geht?

Kirchhoff: Ich bin höchstens ein Leidender an der Liebe , und habe mich mit ihr, weil sie so schwer festzuhalten ist, immer wieder beschäftigt. Von nichts anderem kann ich so begründet erzählen.

Ihr Erzähler ist Kulturjournalist, er arbeitete bei der großen deutschen Zeitung in Frankfurt. Ein sogenannter Intellektueller, er hadert mit den jungen Kollegen, ist unzufrieden. Musste es denn ein solcher Zeitgenosse sein?

Kirchhoff: Hinrich stand in seinem Berufsleben immer im Schatten der großen Kulturjournalisten, er war ja nur für das Umland zuständig, kannte sich aber bestens aus. Dieses Auseinanderklaffen zwischen Wissen und Einfluss hat mich interessiert.

Ihr Erzähler verliert gleich am Anfang des Buches seine Frau. Irene begeht Selbstmord, sie stürzt sich vom 43 Meter hohen Frankfurter Goetheturm. Ihr Mann kommt darüber nicht hinweg. "Wie ungeschoren man doch bliebe, könnte man sich der Erinnerung verweigern, ganz und gar so in der Gegenwart leben, dass nichts Vergangenes darin Platz hätte", schrieben Sie. Leiden wir alle jenseits der Vierzig, der Fünfzig an unserer Vergangenheit?

Kirchhoff: Hinrich hat seine Frau schon vor neun Jahren verloren! Er beschäftigt sich seitdem mit der Frage, warum sie sich in den Tod gestürzt hat. Insofern ist die Vergangenheit seine lebendige Gegenwart, was in dem Maße nicht für jeden zutrifft.

Allerhand Tempo kommt in den Roman, als die Familie des Protagonisten beschließt, angetrieben vom halbwüchsigen Enkel, in der Schweiz verstecktes Geld nach Deutschland zu schmuggeln. Sie beschreiben diesen Vorgang mit ziemlich großer Detailfreude.

Kirchhoff: Mich hat an der Schweiz-Geschichte interessiert, dass man mit Schwarzgeld auch anders umgehen kann, es als Last empfindet und schnellstens wieder loswerden will. Das Konkrete des Bargelds hat wohl meine Detailfreude ausgelöst.

In Warschau stellt sich schließlich heraus, dass seine von ihm so bewunderte Frau Irene ihn mit einem polnischen Journalisten betrogen hatte. Warum quälen Sie Ihren Erzähler so?

Kirchhoff: Ich erlege ihm nur Prüfungen auf, wie sie an anderen Orten noch viel schlimmer ausfallen, er bekommt es ja manchmal in den Nachrichten mit.

Bodo Kirchhoff : "Verlangen und Melancholie." Frankfurter Verlagsanstalt, 2014, 448 Seiten, 24,90 Euro.

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