Mikro-Jobs im Internet

Saarbrücken · Mini-Jobber arbeiten weltweit für Internet-Plattformen, die kleine Aufträge von Firmen weitervermitteln. Die sogenannten Klickarbeiter verdienen wenig. Aber nicht nur das sehen Arbeitsrechtler mit Skepsis.

Sie schreiben kurze Werbetexte, recherchieren Adressen im Internet oder beschreiben Bilder und Videos. Kurzum: Sie erledigen kleine Aufgaben, die Computer immer noch nicht zufriedenstellend verrichten. Millionen von Menschen verdienen auf diese Weise Geld im Internet. Sie werden Crowdworker oder Klickarbeiter genannt. Arbeitsrechtler und Gewerkschaften sehen diese Art der Internet-Arbeit mit Skepsis. Handelt es sich beim Crowdworking um eine Möglichkeit, bequem von zu Hause Geld zu verdienen? Oder entsteht dadurch ein globaler Mini-Job-Markt ohne Rechte?

Bei dem Portal jomondo.de sind nach Angaben der Seite 550 000 Jobber tätig. Bei der Plattform clickworker.com sind es sogar 700 000. Nutzer können sich auf solchen Webseiten als Klickarbeiter registrieren. Die Portale bieten Aufträge von Firmen an, die Crowdworker können entscheiden, ob sie die Aufgaben für die angebotene Bezahlung bearbeiten. Die Aufträge sind vielfältig. Klickarbeiter sollen beispielsweise die Speisekarten von Restaurants in deutschen Großstädten in ein vorgegebenes System übertragen. Pro Karte bekommt ein Crowdworker 2,50 Euro gutgeschrieben. Wer an einer zehnminütigen Umfrage über Landwirtschaft teilnimmt, erhält dafür einen Euro.

Als Arbeitsvertrag zwischen Jobber und vermittelnder Plattform gibt es ausschließlich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Einen Vertrag zwischen dem Crowdworker und den jeweiligen Unternehmen gibt es nicht. Arbeitsrechtlich bleiben Fragen offen. Beispielsweise ob die Klickarbeiter Angestellte oder Selbstständige sind. In den meisten Fällen werden sie zwar als Selbstständige betrachtet, doch Arbeitsrechtler Thomas Klebe, Leiter des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeitsrecht in Frankfurt, sieht das kritisch: "Die Crowdworker haben in der Regel keinen Kündigungsschutz, erhalten im Krankheitsfall keine Entgeltfortzahlung und haben keinen Schutz durch Betriebsräte."

Die Verträge der Klickarbeiter seien in der Regel höchst untypisch und nicht mit denen von anderen Selbstständigen zu vergleichen. Einige Plattformen, so Klebe, behalten sich beispielsweise vor, die Geschäftsbedingungen einseitig zu ändern und somit in laufende Verträge einzugreifen. Außerdem gebe es bei bestimmten Aufträgen eine Art Preisausschreiben: Die Firma erteilt einen Auftrag, zahlreiche Klickarbeiter erledigen den Job. Der Auftraggeber nimmt nun aber nur die aus seiner Sicht beste Leistung. Alle anderen sehen keinen Cent, obwohl sie den Auftrag vollständig erfüllt haben. Dieses Verfahren, so Klebe, sei keineswegs mit anderen Ausschreibungen in der Arbeitswelt zu vergleichen.

Wenn sich beispielsweise mehrere Architekten um einen Auftrag bewerben, geben sie einen Entwurf ab. Den Großteil der Arbeit tätigen sie erst dann, wenn der Auftraggeber sich für einen Entwurf entschieden hat. Die Klickarbeiter erledigen jedoch sofort den kompletten Job. Zudem seien die Internet-Arbeiter in der Regel nicht sozialversichert.

Inzwischen gibt es weltweit Portale, die Aufträge von Konzernen an die Klickarbeiter weitergeben. Die Bezahlung ist häufig sehr gering. Nach Angaben eines 2014 erschienenen Berichts der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen gibt es Schätzungen, dass Jobber bei der Amazon-Plattform Mechanical Turk durchschnittlich etwa 1,44 Euro pro Stunde verdienen. Für die deutsche Plattform Clickworker werde ein Verdienst von rund sieben bis 13 Euro pro Stunde geschätzt.

Ein weiterer Aspekt des Crowdworking besteht darin, dass es für Unternehmen möglich ist, problemlos Mini-Jobber auf der ganzen Welt zu finden. Ländergrenzen spielen keine Rolle. Dies könne laut Klebe auch sehr große Auswirkungen auf die Stammbelegschaft von Firmen und den Arbeitsmarkt insgesamt haben. Deshalb gebe es einen großen Regulierungsbedarf. Klebe erklärt: "Wenn das Crowdworking nicht reguliert wird, besitzt es ein großes Sprengpotential für die gesamte Arbeitswelt."

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