Auf die Sterne kommt es an

München · Wer online einkauft, kauft oft blind. Der Händler ist ein Fremder, das Produkt kennt man meist nur vom Foto. Kunden-Bewertungen sollen Käufern Orientierung geben. Viele Händler haben das erkannt und tun alles, um ihr gutes Ansehen im Internet zu sichern.

Im Internet sind Nutzer oft nicht zimperlich, wenn sie ihre Meinung über Produkte und Verkäufer aufschreiben. Gleichzeitig lassen sich viele Kunden bei ihrem Kauf von den Kommentaren leiten, wissen Verkäufer und Experten . Negative Bewertungen können für Onlinehändler daher zum Problem werden. "Schon wenn jemand viereinhalb statt vier Sterne hat, dann nimmt man beim exakt gleichen Produkt in der Regel den etwas ‚besseren' Anbieter", sagt der Experte für Online-Marketing, Christian Bachem von der Agentur Companion.

Für Onlinehändler sind die Bewertungen so wichtig, dass einige sogar vor Gericht ziehen, wie am gestrigen Dienstag. Das Oberlandesgericht München verhandelte die Klage eines Händlers der Online-Handelsplattform Ebay für Bootszubehör gegen einen Kunden , der ihn auf der Seite negativ bewertete. Der Händler verlangte, dass die Bewertung des Kunden gelöscht wird. Das Gericht entschied, dass der Käufer seine schlechte Bewertung zurücknehmen muss. Eine Begründung des Urteils gibt es noch nicht.

Der Grat zwischen freier Meinungsäußerung und Verleumdung oder Beleidigung ist oft schmal. "Bei der Meinungsäußerung bin ich relativ frei, solange ich nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreite", erklärt Rechtsanwalt Alexander Busch. "Meinung wäre zum Beispiel die Bewertung: ‚Ich fand den Verkäufer unfreundlich.' Ich stelle dabei die Sache in den Vordergrund. Wenn ich aber sage: ‚Der Verkäufer ist ein Idiot', dann sind wir im Bereich der Schmähkritik", sagt Busch.

Sieht das Gericht sogar eine Verleumdung, drohen bis zu fünf Jahren Gefängnis. Und wenn eine unberechtigte Negativbewertung das Ansehen des Verkäufers schädigt, kann das für den Rezensenten auch richtig teuer werden, sagt Anwalt Busch: "Das kann schon mal Bereiche von 10 000 Euro oder mehr erreichen."

Aus dem Onlinehandel sind Bewertungssysteme heute kaum mehr wegzudenken. "Kunden suchen in der unübersichtlichen Online-Warenwelt vor allem eines: Orientierung. Und die finden sie natürlich am ehesten in den Erfahrungen anderer Käufer", sagt Marketing-Experte Christian Bachem. Jeder zweite Internetnutzer hatte 2013 online seine Kauferfahrungen mindestens einmal mit anderen geteilt, wie eine Studie des Branchenverbandes Bitkom zeigt. Viele Händler wollen ihre Online-Reputation deshalb nicht dem Zufall überlassen. In der Kaufabwicklung bei Ebay werden Kunden oft gebeten, bei Problemen erst direkt beim Verkäufer zu reklamieren, bevor sie eine schlechte Bewertung abgeben.

Es gibt aber auch andere Wege, für gute Bewertungen zu sorgen. Der Onlinehändler Amazon widmet seinen Bewertungsschreibern zum Beispiel einen Ehrenplatz auf seiner Seite. Auf einer Liste der Top-Rezensenten wetteifern Kunden um die Spitzenposition. Das ist ganz im Interesse des US-Handelskonzerns. "Die Schreiber werden im Prinzip zu Markenbotschaftern", erklärt Bachem.

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