Existenzangst auf dem Uni-Campus

Saarbrücken · An der Saar-Uni hängt der Haussegen schief. Das am vergangenen Freitag bekannt gewordene Papier des Uni-Präsidiums sieht angesichts des bis 2020 eingefrorenen Landeszuschusses Millionenkürzungen auf dem Campus vor. Die Vertreter der Fakultäten üben scharfe Kritik an den Plänen.

 Gehen im Physik-Tower der Saar-Universität bald die Lichter aus? Seit die neuen Sparpläne des Unipräsidiums bekannt wurden, befürchten das jedenfalls viele Professoren der Hochschule. Foto: Uds/Jacobs

Gehen im Physik-Tower der Saar-Universität bald die Lichter aus? Seit die neuen Sparpläne des Unipräsidiums bekannt wurden, befürchten das jedenfalls viele Professoren der Hochschule. Foto: Uds/Jacobs

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Wie soll die Saar-Uni im Jahr 2020 aussehen? Antworten auf diese Frage geben drei Versionen der Finanzplanung, die das Unipräsidium am vergangenen Freitag dem Senat präsentiert hat. Keine stimmt auch nur im Ansatz hoffnungsvoll. Da die Landesregierung ihren Zuschuss für die Saar-Uni bis 2020 eingefroren hat, die Hochschule also Gehalts- und Kostensteigerungen praktisch allein tragen muss, rechnet Uni-Präsident Volker Linneweber mit einem jährlichen Defizit zwischen 20 und 30 Millionen Euro und will deshalb die Etats der zentralen Verwaltung um 20 Prozent und die der Fakultäten im Mittel um 15 Prozent beschneiden (wir haben berichtet). Weil dabei die Schwerpunkte der Hochschule geschont und die Breite der akademischen Ausbildung, wie vom Land gefordert, möglichst nicht verändert werden soll, so Linneweber, sind die Fakultäten nun in höchst unterschiedlichem Maß gefordert. Ihre Sparquoten schwanken zwischen fünf und 27 Prozent.

Die höchste Sparlast (27 Prozent) soll die Naturwissenschaftlich-Technische Fakultät II (Physik und Mechatronik ) tragen. "Mittelfristig kommt das einer Abschaffung der Mechatronik gleich", so der Dekan der Fakultät, Professor Georg Frey. "Wir sind am Boden zerstört. Das ist ein Vorgriff auf die Schließung der Physik ", warnt Prodekan Professor Rainer Birringer. "Wer Exzellenz und Qualität möchte, kann nicht gleichzeitig die Physik , die Mutterwissenschaft des MINT-Bereichs, kaputtsparen", so Birringer.

Die Pläne des Präsidiums übergingen völlig die Vorschläge des Wissenschaftsrats und der uniinternen Arbeitsgruppen, so Frey. "Damit hat das Uni-Präsidium die letzten zwei Jahre komplett ignoriert und torpediert unsere Arbeit."

25 Prozent soll der Fachbereich Physik einsparen, 30 Prozent entfallen auf die Mechatronik . Hier sollen fünf von 14 Professuren und zusätzlich weitere 850 000 Euro jährlich eingespart werden, erläutert Frey die Pläne des Unipräsidiums. "Hinter dieser Streichliste verbirgt sich keine Sinnhaftigkeit, sie wurde einzig nach der Altersstruktur der Professoren vorgenommen", so der Dekan. Da das Präsidium die Sparquoten nicht mehr verändern will, glaubt der Dekan nicht mehr an eine interne Einigung. "Wir hoffen auf eine Korrektur dieser Zahlen durch die Politik."

Auch der Dekan der Philosophischen Fakultät II, Professor Ralf Bogner, bezeichnet die Pläne des Präsidiums als "rein biologisches Konzept". "Es wird nicht gekürzt, wo es sinnvoll ist, sondern überall da, wo aufgrund von Pensionierungen Lehrstühle geschlossen werden können", so Bogner. 21 Prozent soll die Philosophische Fakultät II bis 2020 einsparen. "Für uns ist das zerstörerisch", so Bogner. Das Präsidium gebe mit diesen Zahlen allerdings nur Sparvorgaben des Landes weiter: "Ich halte dieses Halbsterben- und Halblebenlassen vieler Fächer nicht für sinnvoll, aber das ist politisch so gewollt", so Bogner. "Das Land möchte nicht dafür geradestehen, dass sich die Uni diese Fächerbreite nicht leisten kann."

18 Prozent soll die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät bis 2020 einsparen. "Statt die Uni zu zerschlagen, sollten wir sie sanieren", so der Dekan der Fakultät, Professor Stephan Weth. Die Zahlen des Präsidiums kann er nicht nachvollziehen. "Für die Wirtschaftswissenschaften haben wir nachgerechnet und kommen entsprechend der geplanten Streichungen zu einer Sparquote von 40 Prozent", so Weth. "Dieses Konzept ist keine brauchbare Diskussionsgrundlage."

Innerhalb der Fakultät Mathematik und Informatik, die mit einer Sparquote von elf Prozent im Plan steht, sehen die Vorschläge des Unipräsidiums höchst unterschiedliche Belastungen vor. Den Löwenanteil soll die Mathematik erbringen (20 Prozent), für die Informatik sind nur fünf Prozent aufgerufen. Diese Quoten empfindet Prodekan Mark Groves als ungerecht. Das sei keine Kritik an der Informatik - hier sei schlicht der Umstand ausgenutzt worden, dass im übernächsten Jahr in seiner Fachrichtung drei Professoren in den Ruhestand gehen, so der Mathematiker Groves. Es stehe außer Frage, dass die Informatik der Mathematik helfen werde, kündigte bereits der Dekan der Fakultät, der Informatiker Markus Bläser, an. Besser wäre es für die Uni allerdings, sich in schwierigen Zeiten auf ihre Schwerpunkte zu besinnen. Die Spardebatte erhöhe die Gefahr, dass in der Mathematik, die gerade den höchstdotierten europäischen Forschungspreis erhalten hat, die klügsten Köpfe das Saarland verlassen.

Die Sparmaßnahmen werden zu einer tief greifenden Veränderung der Saar-Uni führen, glaubt auch der Dekan der Naturwissenschaftlich-Technischen Fakultät III, Professor Dirk Bähre. "Ich bezweifle, dass wir 2020 noch national und international wettbewerbsfähig sind." An seiner Fakultät sollen insgesamt 14 Prozent eingespart werden. "Obwohl wir noch vergleichsweise gut abschneiden, ist es fraglich, ob wir mit diesen Vorgaben überhaupt noch vernünftige Studiengänge aufrechterhalten können." Viele Fächer werde die Fakultät so zusammenstreichen müssen, dass am Ende fast nichts mehr von ihnen übrig bliebe.

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