Die Mär vom arbeitslosen Akademiker

Saarbrücken · Die Generation Praktikum oder der arbeitslose Geisteswissenschaftler – sie geisterten in den vergangenen Jahren oft durch die Medien. Doch sind sie auch Realität? Die erste fächerübergreifende Absolventenstudie der Saar-Universität räumt mit allerlei Mythen rund ums Akademiker-Dasein auf.

 Stolz wie Oskar: Absolventinnen des Aufbaustudiengangs European Management der Saar-Uni. Wie sie haben etwa 10 000 junge Menschen zwischen 2007 und 2014 ihr Studium an der Universität des Saarlandes erfolgreich abgeschlossen.Foto: Maurer

Stolz wie Oskar: Absolventinnen des Aufbaustudiengangs European Management der Saar-Uni. Wie sie haben etwa 10 000 junge Menschen zwischen 2007 und 2014 ihr Studium an der Universität des Saarlandes erfolgreich abgeschlossen.Foto: Maurer

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Der Durchschnittsabsolvent der Saar-Uni ist Saarländer und 27 Jahre alt. Er hat vier Jahre, acht Monate und 16 Tage für sein Studium gebraucht. Sieben Monate nach dem Abschluss findet er seinen ersten Job mit einem Nettoverdienst von 1973 Euro. So lautet das Ergebnis der ersten fächerübergreifenden Absolventenstudie der Saar-Uni.

Unter dem Titel "Was kommt nach dem Studium an der Universität des Saarlandes ?" wurde sie von den Saarbrücker Soziologen Eike Emrich, Wolfgang Meyer, Luitpold Rampeltshammer und Freya Gassmann herausgegeben. Vor zwei Jahren hatten die Saarbrücker Wissenschaftler bereits eine soziologische Studie zu den Studenten der Saar-Uni vorgelegt. "Da war es nur die logische Konsequenz, nun zu untersuchen: Was machen die nach dem Studium?", sagt Freya Gassmann.

Um das herauszufinden, befragten die Wissenschaftler 1270 Ehemalige, die ihr Studium an der Saar-Uni zwischen 2007 und 2014 erfolgreich abgeschlossen haben - unter ihnen ebenso Bachelorabsolventen wie Doktoranden.

Nur knapp die Hälfte von ihnen (49 Prozent) fand die erste Anstellung im Saarland. 38 Prozent in den übrigen Bundesländern. Im Ausland fanden ganze 13 Prozent den ersten Job - ein auffallend hoher Wert, sagt Gassmann. "Im Vergleich dazu sind das im gesamten Bundesgebiet etwa vier Prozent."

Vor allem Geisteswissenschaftler starteten beruflich im Ausland durch. "Unter den Absolventen der Philosophischen Fakultäten waren es sogar 20 Prozent", berichtet Gassmann.

Doch wer nun glaubt, dies hinge mit dem Arbeitsmarkt in der Großregion zusammen, der irrt. "Von der Politik wird die Saar-Lor-Lux-Region als Arbeitsmarkt zwar sehr gepriesen, doch für die saarländischen Akademiker existiert sie praktisch nicht", weist die Soziologin diese Vermutung zurück.

Immerhin gaben 43 Prozent der Absolventen an, Luxemburg bei der Arbeitssuche in Betracht gezogen zu haben. Doch lediglich vier Prozent fanden dort tatsächlich ihren ersten Job. Für Frankreich waren es sogar nur zwei Prozent. Auf dieses Ergebnis sollte die Politik dringend reagieren, findet der Soziologe Luitpold Rampeltshammer. "Investitionen, die Großregion für Absolventen attraktiver zu machen, lohnen sich gerade im grenznahen Saarland", meint er.

Auch mit anderen Mythen räumt die Saarbrücker Studie auf. "Immer wieder taucht das Märchen vom arbeitslosen Akademiker , speziell Geisteswissenschaftler auf - dabei gibt es den so gut wie gar nicht", sagt Gassmann. Die Arbeitslosenquote unter Akademikern sei mit gerade einmal 2,5 Prozent verschwindend gering. Geisteswissenschaftler der Saar-Uni brauchten im Schnitt gerade einmal zwei Monate länger als Mediziner, um einen Job zu finden. Nur die Bachelor-Absolventen hatten es schwerer bei der Jobsuche: Sie brauchten im Schnitt ein halbes Jahr länger als Master-Absolventen, um eine Anstellung zu bekommen. "Der Arbeitsmarkt hat sich offenbar immer noch nicht auf Bachelorabsolventen eingestellt", erklärt Gassmann dies.

Ebenfalls eine Mär sei die in den vergangenen Jahren in zahlreichen Medien beschworene "Generation Praktikum", denn tatsächlich machte nur ein Fünftel der Absolventen nach dem Examen ein Praktikum. "Es ist etwas übertrieben, wenn man deshalb gleich die ganze Absolventen-Generation des vergangenen Jahrzehnts so bezeichnet", findet Gassmann.

Dafür halfen Praktika den Absolventen bei der späteren Jobsuche. 17 Prozent fanden durch sie sowie durch die Abschlussarbeit bestehende Verbindungen ihre erste Anstellung. Und auch der Uni-Professor (9,7 Prozent), Freunde (9 Prozent) und die Arbeitsagentur (7,3 Prozent) erleichterten die Arbeitssuche . Das Geschlecht und die soziale Herkunft hatten dagegen kaum Einfluss darauf, wie schnell die Absolventen den Berufseinstieg schafften. Das Alter erwies sich allerdings als mögliches Kriterium: Je älter die Absolventen waren, desto schwerer fanden sie einen Job. Mit dem war dann allerdings ein Großteil zufrieden: 53 Prozent fanden ihn ihrer Qualifikation entsprechend.

Bemerkenswert fanden die Wissenschaftler ein anderes Ergebnis. Rund 70 Prozent der Befragten arbeiteten bei ihrer ersten Anstellung mehr als die vertraglich festgelegte Arbeitszeit, rund ein Fünftel sogar mehr als 50 Stunden pro Woche. Solche Zustände waren dann auch ein Kriterium für viele, den Job nach durchschnittlich zwei Jahren zum ersten Mal zu wechseln. "Meistens war der Kündigungsgrund nicht das Gehalt, sondern Faktoren wie das Betriebsklima oder die Familienfreundlichkeit", erklärt Freya Gassmann.

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