„Das kommt einer Abwicklung gleich“

Saarbrücken · Die Fakultät Physik und Mechatronik der Saar-Uni soll in der kommenden Sparrunde die größten Opfer bringen. Deren Sprecher warnen nun scharf vor den Konsequenzen. Die vom Uni-Präsidium verkündete Sparquote von 27 Prozent sei für die Kernbereiche der Fakultät eine existenzielle Bedrohung.

 Die Zukunft der Fakultät für Physik und Mechatronik malten Prodekan Rainer Birringer (links) und Dekan Georg Frey im SZ-Redaktionsgespräch schwarz. Foto: Schlichter

Die Zukunft der Fakultät für Physik und Mechatronik malten Prodekan Rainer Birringer (links) und Dekan Georg Frey im SZ-Redaktionsgespräch schwarz. Foto: Schlichter

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Der Sonderforschungsbereich der Physik und die geplante Ingenieursplattform von Saar-Uni und Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) sind durch die Sparpläne von Landesregierung und Unipräsidium gefährdet, warnen die Vertreter der Naturwissenschaftlichen Fakultät II (Physik und Mechatronik ). Angesichts des bis 2020 eingefrorenen Landeszuschusses für die Uni entwickelte Unipräsident Volker Linneweber in dem Papier ein Sparprogramm für die acht Fakultäten der Saar-Uni. Er rechnet mit jährlichen Defiziten von bis zu 30 Millionen Euro und unterschiedlichen Sparquoten für die acht Fakultäten (wir haben berichtet).

Die höchste Sparlast von insgesamt 27 Prozent soll die Fakultät für Physik und Mechatronik tragen. "Das kommt einer Abwicklung gleich", warnt der Prodekan, Professor Rainer Birringer. Bis 2020 muss der Fachbereich Mechatronik 30 Prozent, die Physik 25 Prozent ihres Etats einsparen. Während sich die Einschnitte für die Mechatronik bereits in den vergangenen Monaten abzeichneten, kommen sie für die Physik völlig überraschend. "Gerade erst hat der Wissenschaftsrat bescheinigt, dass die Physik mit ihrem Sonderforschungsbereich zu den Aushängeschildern der Uni gehört", so Birringer.

Insgesamt werden die 31 Lehrstühle der Fakultät auf 20 zusammengestrichen, sechs von 17 Professuren sollen laut dem Papier des Präsidiums in der Physik wegfallen, erläutert ihr Dekan, Professor Georg Frey. Doch auch wenn ein Lehrstuhl erst in einigen Jahren frei wird, kann der Vermerk "künftig wegfallend" schon in nächster Zukunft Konsequenzen haben. Er bedeute, dass der Lehrstuhl zunächst auf eine Minimalausstattung zurückgefahren und zuletzt ganz geschlossen werde. Als "Normausstattung" gelten pro Professur eine Mitarbeiterstelle, eine halbe Sekretariatsstelle und 5000 Euro Sachmittel pro Jahr, erläutert Birringer. "Da die Landesregierung betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, wird der Löwenanteil über befristete Stellen des wissenschaftlichen Personals eingespart", so Frey. In der Konsequenz bedeute dies, dass alle Professuren der Fakultät auf Normausstattung schrumpfen werden. "Der Erfolg eines Lehrstuhls steht und fällt mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern", sagt Frey. "Die Sparlast von 30 Prozent bringt so 100 Prozent Arbeitsunfähigkeit." Ganze Wissenschaftskarrieren würden nun in Frage gestellt, warnt Birringer. Doch nicht nur das: "Das wird dazu führen, dass die Leute gehen. Und die Besten gehen bekanntlich zuerst."

Darüber hinaus sind für beide Fachbereiche noch zusätzliche "strukturelle Sparmaßnahmen" vorgesehen, so das Präsidiums-Papier. In der Physik belaufen sich diese auf zusätzlich über eine Million, in der Mechatronik auf knapp 850 000 Euro bis 2020. Zwar solle laut dem Sparkonzept des Unipräsidiums in der Physik eine "Fokussierung" auf den Sonderforschungsbereich sowie die drittmittelstarken Bereiche stattfinden, doch genau diese sieht Birringer nun extrem gefährdet: "Alle Professuren, die künftig wegfallen sollen, sind nicht im Sonderforschungsbereich angesiedelt. Wenn der Grundbetrieb aufrechterhalten werden soll, bedeutet das jedoch in der Konsequenz: Die Million, die der Fachbereich zusätzlich schultern muss, kann nur vom Sonderforschungsbereich genommen werden", so Birringer. "Damit ist der Sonderforschungsbereich tot."

Auch für die von der Landesregierung gewünschte Kooperationsplattform der Ingenieure sieht Frey schwarz: "Die Kooperationsplattform können sie streichen. Wenn wir an der Uni eine nicht arbeitsfähige Mechatronik haben, mit wem soll dann die HTW diese Kooperationsplattform betreiben?", fragt Frey. Das von der Landesregierung angestrebte Promotionskolleg etwa könne die HTW nicht alleine machen, warnt der Dekan.

Prodekan Birringer kritisiert, dass sich die Landespolitik zu sehr an der Uni einmische. "In der Detailsteuerung der Uni geht die Landesregierung so weit, dass sie festlegt, welche Professuren geschlossen werden und welche nicht. Das geht so nicht."

Dass es nun trotz exzellenter Forschung die Physik so hart getroffen habe, kann sich Birringer nur dadurch erklären, dass diese "im Saarland weder Anwalt noch Lobby in der Politik hat." Andere Studiengänge , die politisch besser vernetzt seien, seien dagegen besser weggekommen. "Das ist haarsträubend, das muss man ganz klar sagen", sagt Frey.

Das Unipräsidium hätte an dieser Stelle klare Grenzen ziehen müssen, so Birringer und Frey. "Ich erwarte von einem Unipräsidenten, dass er in einer solchen Situation alles dafür tut, dass seine Uni als Einheit dem Land gegenübertritt und klare Kante zeigt", so Birringer.

Die Philosophische Fakultät II Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften rechnet durch die Kürzungen des Unipräsidiums mit gravierenden Auswirkungen und sieht ihren Sonderforschungsbereich und ihre Graduiertenkollegs gefährdet. Laut Sparkonzept soll die Fakultät 21 Prozent ihres Etats bis 2020 einsparen. "Für uns ist diese Sparlast zerstörerisch", warnt Professor Ralf Bogner, Dekan der Philosophischen Fakultät II. Zehn von 32 Professuren sowie etwa 30 Mitarbeiterstellen sollen gestrichen werden. In der Konsequenz rechnen die Vertreter der Fakultät mit "geradezu desaströsen Einbußen" in den Drittmitteleinnahmen - in Höhe von 5,5 Millionen Euro pro Jahr.

"Das bedeutet, dass zusätzlich etwa 90 Stellen für wissenschaftliches Personal wegfallen werden", so Bogner. Durch diese Kürzungen seien der Sonderforschungsbereich "Informationsdichte und sprachliche Kodierung" sowie die Graduiertenkollegs der Fakultät in ihrer Existenz gefährdet. Allein mit diesen Projekten habe die Fakultät rund zehn Millionen Euro eingeworben und 50 zusätzliche wissenschaftliche Arbeitsplätze geschaffen.

"Fachlich sind wir an der Grenze des Vertretbaren", so Bogner. "Dadurch, dass bestimmte Fachgebiete nicht mehr umfassend oder gar nicht mehr vertreten werden, können wir nicht mehr für eine gute Ausbildung garantieren", so Bogner. "Insbesondere die Lehramtsstudiengänge können kaum noch sinnvoll weitergeführt werden."

Da zahlreiche Studiengänge eingestellt werden müssen, könne die Fakultät zudem künftig nur noch die Hälfte der bisherigen Studienplätze anbieten.

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