Allein in einem fremden Land

Saarbrücken · Viele ausländische Studenten suchen in Saarbrücken dringend nach bezahlbarem Wohnraum. Durch den endgültigen Wegfall des Wohnheims D auf dem Campus der Saar-Uni wird die Lage nun noch dramatischer.

 Endlich wieder ruhig schlafen: Nach einem Monat in Hotels und Notunterkünften hat der Saarbrücker Gaststudent Ousama ein eigenes Bett in Saarbrücken gefunden. Foto: Oliver Dietze

Endlich wieder ruhig schlafen: Nach einem Monat in Hotels und Notunterkünften hat der Saarbrücker Gaststudent Ousama ein eigenes Bett in Saarbrücken gefunden. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Die Wohnraumsituation für Studenten in Saarbrücken verschärft sich immer mehr. "Alle Wohnheime in der Stadt sind gerammelt voll", erklärt Heike Savelkouls-Diener vom Saarländischen Studentenwerk. Ohne Wohnheimplätze stünden viele auf der Straße. 400 Leute stehen auf der Warteliste für Wohnheimplätze des Studentenwerks, rund 600 Studenten haben insgesamt bei Studentenwerk und Saar-Uni um Hilfe bei der Wohnungssuche gebeten - Tendenz steigend.

Ein Beispiel von vielen ist der 19-jährige Ousama aus Kenitra in Marokko. Er ist nach Saarbücken gekommen, um Maschinenbau zu studieren. Er hatte letztlich Glück. Seit zwei Tagen hat er ein Bett in Saarbrücken . Zehn Quadratmeter in der Bleichstraße, das Bad und die kleine Küche der Vierer-WG kann er mitbenutzen. "Ich bin zwar erst seit vier Wochen hier, aber es kommt mir wie eine Ewigkeit vor", erklärt er. Einen Monat lang hat er nach einer bezahlbaren Unterkunft gesucht. "Auf ein Zimmer kamen immer 30, 40 Mitbewerber", erzählt er. Weil er niemanden hier kannte, kam er zunächst in einem Hotel unter. Nach sechs Nächten wurde das zu teuer. Eine Nacht verbrachte er deshalb am Saarbrücker Hauptbahnhof.

Notunterkunft in Moschee

Beim Aufnahmetest für das Studienkolleg lernte Ousama andere Studenten kennen, sie erzählten von einem Notquartier im Gebetsraum einer Sulzbacher Moschee. Acht Nächte blieb er dort. Gemeinsam mit etwa zehn weiteren Gaststudenten schlief er auf dem Boden, die Gemeinde hatte ein paar Decken und Kissen gesammelt.

"Besonders für Gaststudenten ist die Situation dramatisch", erklärt Savelkouls-Diener vom Studentenwerk. "Noch mehr, seit definitiv ist, dass das Wohnheim D wegfällt." Mit 260 möblierten Zimmern war das Wohnheim stets Anlaufstelle für internationale Studenten an der Saar-Uni. Doch im März 2012 wurde es wegen Brandschutzmängeln geschlossen. Ursprünglich sollte das Gebäude saniert werden, bereits im Juli 2013 hatte das Studentenwerk einen Antrag auf einen Landeszuschuss gestellt. Der wurde nun abgelehnt. "Ohne die Förderung können wir keine sozialverträglichen Mieten realisieren", erklärt Anne-Marie Oswald, Geschäftsführerin des Studentenwerks. Nach der Sanierung hätte die Miete für ein Einzelzimmer im Wohnheim 300 Euro statt bisher 168 Euro betragen. Nun will das Studentenwerk das marode Gebäude an die Saar-Uni zurückgeben.

Krisensitzung auf dem Campus: Im Café der Mensa treffen sich Vertreter des Studentenwerks, Mitarbeiter des International Office, der Anlaufstelle der Saar-Uni für alle Fragen des internationalen Austauschs, und Tutoren, die den Studenten bei der Wohnungssuche helfen. Vor Wochen startete das Studentenwerk eine Kampagne, in der es die Bevölkerung um Hilfe bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum bat. Die Resonanz: Drei oder vier Gastfamilien hätten sich bisher gemeldet.

Allein 80 Erasmusstudenten suchen noch eine Wohnung - ein Drittel aller europäischen Austauschstudenten an der Saar-Uni. "Für manche ist die Wohnungsnot dann im schlimmsten Fall ein Argument, ihr Stipendium gar nicht anzutreten", erklärt Sina Krauß vom International Office.

Am schwersten sei die Wohnungssuche für Studenten aus Drittweltländern: "Männlich, dunkelhaarig, dunkelhäutig, da heißt es dann oft, das Zimmer sei schon vergeben", erklärt Krauß. "Weiblich, arabisch, Kopftuch ist aber auch nicht viel leichter", sagt ihre Kollegin Anita Romina. Auch Ahmed aus Kairo, der in Saarbrücken Mechatronik studieren will, hat viele Wohnungsanzeigen abtelefoniert. "Viele sagen nach zwei Sätzen, sie rufen nochmal an - und rufen nie zurück", sagt er.

Maximal 170 Euro Miete

Nicht nur mit Vorurteilen haben viele zu kämpfen. Oft steht Gaststudenten nur ein geringes Budget zur Verfügung. "Besonders afrikanische Studenten können oft nicht mehr als 170 Euro Miete aufbringen", erklärt Krauß. Der 21-jährige Ahmed hat Glück, sein Vater kann ihn mit 500 Euro monatlich unterstützen - das ist die Hälfte dessen, was seine Familie in Ägypten zum Leben hat. Hier kommt Ahmed mit einem Nebenjob gerade so zurecht.

Ein weiteres Problem sei, dass es zu wenig möblierte Zimmer gebe, erklärt Savelkouls-Diener. Vergangene Woche habe man daher entschieden, alte Möbel aus dem maroden Wohnheim D in die Zimmer von bedürftigen Studenten zu bringen. Arbeit, die die meisten Unterstützer neben ihren alltäglichen Aufgaben zusätzlich erledigen. Wie der Anglistikstudent Angel Alfaro, der gegen eine kleine Aufwandsentschädigung andere Gaststudenten bei der Wohnungssuche unterstützt. Er begleitet die Studenten zu Besichtigungsterminen, erledigt Telefonate und übersetzt. "Zurzeit brennt's. Ich bin praktisch täglich mit Wohnungssuchenden unterwegs", sagt Alfaro.

"An der Uni versucht jeder zu helfen", sagt Ahmed. "Die sorgen für uns." Nun ist er vorerst im Wohnheim Waldhaus untergekommen, bis Oktober muss er jedoch etwas Neues finden.

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