"Die Polen selbst müssen ihre Demokratie verteidigen"

Berlin · Linken-Politiker Thomas Nord über den Umgang mit den Nationalkonservativen in Warschau Wie umgehen mit der neuen polnischen Regierung der national-konservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PIS), die ihre Macht brachial ausnutzt? Unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff sprach mit Thomas Nord, 58jähriger Bundestagsabgeordneten der Linken und Chef der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe.

Wie erklären Sie sich das Erstarken der Nationalisten in Polen?
Thomas Nord:
Die Vorgängerregierung hat zwar wirtschaftlich erfolgreich gearbeitet, aber die Vorteile dieser Entwicklung sind längst nicht bei allen Polen angekommen. Es gibt dort erhebliche soziale Verwerfungen, die leider nur von Rechtsaußen angesprochen wurden.

Wie bewerten Sie die ersten Gesetze der neuen Regierung zum Verfassungsgericht und zu den Medien?
Thomas Nord:
Im Kern macht PIS das, was viele ihrer Funktionäre bei Besuchen hier in Berlin schon angekündigt hatten: Man orientiert sich an Ungarn, an dem Modell eines autoritären Staates. Das wird jetzt mit Präzision und hohem Tempo durchgezogen. Im Wahlkampf hatte PIS allerdings gegenüber den Polen den Eindruck erweckt, man wolle eine moderatere Gangart gehen.

Ist das alles noch Europa-Kompatibel?
Thomas Nord:
Diese Frage hat zwei Seiten. Die EU hat klare vertragliche Grundlagen. Wenn man Polen nun vorwirft, sie verletze EU-Recht, dann muss man das nachweisen. Ich bin mir nicht sicher, dass das gelingt, denn die neue Regierung verhält sich geschickt. Sie segelt hart am Rande des Legalen. Dass das alles aus unserer Sicht natürlich Eingriffe in die Gewaltenteilung oder die Medienfreiheit sind, das ist die politische Bewertung.

Sie sind also skeptisch gegenüber der Idee, den europäischen Rechtsstaatsmechanismus in Gang zu setzen?
Thomas Nord:
Natürlich muss die EU darauf achten, dass ihre Werte eingehalten werden. Eine Prüfung ist deshalb nachvollziehbar. Aber ob die Drohung mit Sanktionen wirklich hilft, bezweifele ich. Und wenn sich herausstellt, dass Polen formal nicht gegen EU-Recht verstoßen hat, wäre ein solches Verfahren sogar kontraproduktiv. Denn die PIS arbeit ja mit dem ideologischen Muster, dass Brüssel wie Moskau ist.

Sollte sich Deutschland mit Kritik besonders zurückhalten?
Thomas Nord:
Vor dem Hintergrund der Geschichte sicherlich. Außerdem muss jeder Eindruck von Bevormundung vermieden werden. Man muss aber mit der Zivilgesellschaft in Polen intensiv zusammenarbeiten. Letztlich können nur die Polen selbst ihre Demokratie verteidigen.

Es gab in den letzten Jahren regelmäßig Gipfeltreffen des so genannten Weimarer Dreiecks - Warschau, Berlin, Paris. Ist dieses Format tot?
Thomas Nord:
Die PIS hatte schon vor den Wahlen erklärt, dass sie davon wenig hält und eher die engere Zusammenarbeit mit Budapest und Bukarest sucht. Also muss man damit rechnen, dass das Weimarer Dreieck nicht mehr die frühere Bedeutung haben wird.

Auch aus anderen osteuropäischen Ländern kommen nationalistische und ausländerfeindliche Töne. Sind diese Länder zu früh zur EU gekommen?
Thomas Nord:
Was heißt zu früh? Es gab damals große Bedenken, aber die Entscheidung ist so gefallen. Die Länder sind Mitgliedsstaaten, und jetzt muss man sich mit ihnen auseinandersetzen.

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