„Deutsche Milchbauern haben schlechte Karten“

Saarbrücken · Mit dem heutigen Mittwoch fällt die vor mehr als drei Jahrzehnten eingeführte europäische Milchquote mit festgelegten Garantie-Mengen weg. Die Grünen sehen deshalb schwarz für kleinere deutsche Milcherzeuger. Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter fragte bei Friedrich Ostendorff, dem agrarpolitischen Sprecher der Partei nach:



Herr Ostendorff, kaum jemand weint der Milchquote eine Träne nach. Warum die Grünen?
Friedrich Ostendorff: Weil wir die klein- und mittelbeuerliche Milchviehhaltung schützen müssen. In einem auf den Weltmarkt ausgerichteten Wettbewerb wird sie keine Chance haben. Außerdem macht uns Sorge, dass sich die Milcherzeugung in Deutschland schon länger vom Süden an die Küste verlagert, weil das dort billiger und ertragreicher zu machen ist. Aber die Milcherzeugung muss auch unter dem Aspekt der Landschaftspflege betrachtet werden. Sie stärkt die Grünlandstandorte.

1984 gab es 370.000 Milcherzeuger. Jetzt sind es nur noch 77.000. Die Milchquote konnte das Höfe-Sterben in Deutschland also nicht aufhalten.
Friedrich Ostendorff: Darauf war sie in ihrer Ausgestaltung auch nicht angelegt. Wir brauchen aber Kriseninstrumente, um bei Bedarf die Milchmenge der Nachfrage anzupassen. Wer trotzdem mehr produziert, dem sollen die Molkereien ein schlechteren Preis zahlen oder die Milch gar nicht abnehmen. Ansonsten werden nur die Betriebe überleben können, die die günstigsten Produktionskosten haben. Und das ist zum Beispiel nicht im bayerischen Grünland der Fall.

Der langfristige Ausstieg aus der Milchquote war von der EU im Jahr 2003 mit ausdrücklicher Zustimmung der damaligen Grünen-Agrarministerin Renate Künast beschlossen worden. Lag sie falsch?
Friedrich Ostendorff: Wir wollten schon damals neue Instrumente zur Marktsteuerung. Aber beschlossen wurde lediglich der Quotenausstieg. Frau Künast war nur bis 2005 Ministerin. Bis dahin ließen sich neue Mechanismen der Marktsteuerung leider nicht durchsetzen. Das Gleiche kann man übrigens auch bei der Käfighaltung von Hühnern sagen, gegen die wir immer waren.

Die internationale Nachfrage nach Milch und Milchprodukten steigt. Ist das nicht auch eine Chance für einheimische Erzeuger?
Friedrich Ostendorff: Deutschland exportiert Milchpulver, vor allem Magermilchpulver. Das sind Produkte, die eine geringe Wertschöpfung haben und sehr billig sind. Wir liefern keinerlei Spezialitäten in die Welt. Dagegen wird zum Beispiel in den Niederlanden wegen der Käseprodukte aus einem Kilogramm Milch viele mehr Geld gemacht. So betrachtet hat Deutschland schlechte Karten im internationalen Wettbewerb.

Und das lässt sich nicht ändern?
Friedrich Ostendorff: Die deutsche Industrie setzt auf Innovationen und ist damit sehr erfolgreich. Die bäuerliche Welt ist eine andere. Wir importieren französischen hochveredelten Käse, weil wir selbst nicht dazu in der Lage sind. Und ich sehe nicht, dass sich daran etwas ändern könnte.

Können die deutschen Verbraucher mit dem Fall der Quote auf billigere Milch hoffen?
Friedrich Ostendorff: Den Liter Milch kriegen Sie beim Discounter schon für 59 Cent. Was soll da noch billiger werden? Ist das wirklich erstrebenswert? Milch kostet heute schon weniger als Mineralwasser. Aber ich fürchte, der Preis wird tatsächlich weiter sinken, wenn wir den harten Konkurrenzkampf auf dem Milchmarkt nicht in den Griff bekommen.

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