„Besser als alle Konkurrenz-Modelle“

Berlin · „Die Rente ist sicher“ - kaum ein anderer politischer Satz hat sich in den Köpfen der Bundesbürger so eingeprägt wie der des ehemaligen Bundesarbeitsministers Norbert Blüm. Am heutigen Dienstag wird die gesetzliche Rentenversicherung 125 Jahr alt. Wie Blüm heute über seinen Satz von damals denkt und was er von der Stabilität der Alterssicherung angesichts immer neuer Reformen hält, darüber sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter mit dem 79jährigen CDU-Politiker, der inzwischen als Kabarettist und Autor arbeitet und in Bonn lebt.

Herr Blüm, haben Sie Ihren legendären Satz, der erstmals 1986 fiel, schon mal bereut?
Norbert Blüm:
Nein. Die Geschichte beweist, dass die gesetzliche Rentenversicherung die sicherste Altersvorsorge unter allen konkurrierenden Modellen ist. Sie hat zwei Weltkriege überlebt und die Inflation. Und sie hat die deutsche Einheit gemeistert. Das hätte keine Privatversicherung geschafft.

Das Rentenniveau geht aber immer mehr zurück. Was hat das noch mit Sicherheit zu tun?
Norbert Blüm:
Die Höhe der Rente ist Ausdruck dafür, welchen Beitrag wir zu zahlen bereit sind, um nach einer langen Arbeitsbiografie ein auskömmliches Leben im Alter zu sichern. Wenn man allerdings vier Prozent des Beitrages abzweigt, wie mit der unseligen Riester-Rentenreform geschehen, dann fehlt dieses Geld in der Rentenkasse. Und am Ende zahlen die Beitragszahler sogar mehr als nach der alten Regelung, weil die Riester-Beiträge nicht vom Arbeitgeber mitfinanziert werden.

Als die Rentenversicherung begründet wurde, sollte sie das soziale Elend der Arbeiterschaft lindern helfen. Auch heute ist wieder viel von Altersarmut die Rede. Bekümmert Sie das?
Norbert Blüm:
Ja. Wenn das Rentenniveau weiter so sinkt wie in den letzen Jahren, dann kommt man in die Nähe der Sozialhilfe, was die Rentenversicherung nicht nur um ihren guten Ruf bringt, sondern auch um ihre soziale Sicherungsfunktion. Ein System, aus dem man mit Beiträgen nicht mehr bekommt als jemand, der ohne Arbeit war und folglich auch keine Beiträge gezahlt hat, erledigt sich von selbst.

Auch Sie haben doch in Ihrer 16jährigen Amtszeit als Arbeitsminister Reformen eingeleitet, die auf eine Senkung des Rentenniveaus abzielten.
Norbert Blüm:
Das stimmt. Aber wir waren uns damals einig, dass das Rentenniveau nicht unter 64 Prozent sinken darf. Allein schon deshalb, um einen deutlichen Abstand zur Sozialhilfe zu garantieren. Bei den Reformen, die nach meiner Amtszeit kamen, wurde allerdings der Beitragssatz zur festen Größe. Er darf langfristig nicht über 22 Prozent liegen. Damit wurde jedoch das Rentenniveau zu Variablen. Das ist ein prinzipieller Unterschied.

Durch die Festlegung auf eine maximale Beitragshöhe soll die jüngere Generation nicht über Gebühr belastet werden. Was ist daran so schlimm?
Norbert Blüm:
Wahr ist, dass im Umlagesystem immer die Jüngeren für die Rente der Älteren aufkommen müssen. Und wenn es weniger Beitragszahler wegen der demografischen Entwicklung gibt, dann müssen sie eben auch mehr bezahlen. Geschieht das nicht, gibt es keine anständige Rente. Dass die Beitragszahler das auch können, hat mit den steigenden Einkommen zu tun. Meine Eltern haben ungefähr noch zehn Prozent Rentenbeitrag gezahlt, meine Kinder zahlen heute knapp 20 Prozent. Trotzdem hatten meine Eltern weniger Einkommen zum Leben als meine Kinder, weil eben auch das Einkommen meiner Eltern viel kleiner war.

Welche Reform in der jüngeren Geschichte war aus Ihrer Sicht der größte Irrweg?
Norbert Blüm:
Eindeutig die Riester-Rente.

Was haben Sie gegen kapitalgedeckte Systeme?
Norbert Blüm:
Ich bevorzuge die Anbindung der sozialen Sicherheit an die Arbeit und nicht ans Kapital. Die Arbeit muss die höchste Wertschätzung in einer Gesellschaft haben und nicht das Kapital. Im Übrigen: Wer heute noch behauptet, die kapitalgedeckten Systeme seien sicher, der lebt auf einem Eisberg ohne Funkverkehr. Durch die weltweite Finanzkrise sind diese Systeme allesamt ins Rutschen gekommen. Das Rentensystem in Chile ging deshalb sogar Bankrott.

Die Riester-Rente soll auch den Anstieg der Arbeitskosten begrenzen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern. Ist das kein Argument?
Norbert Blüm:
Unsere Produktivität ist stärker gestiegen als die Arbeitskosten. Der Anstieg der Beiträge ist also verkraftbar. Die Beiträge verwandeln sich zudem in Rente und damit in Kaufkraft, auf die jede florierende Wirtschaft angewiesen ist.

Was würden Sie tun, könnten Sie noch mal Arbeitsminister sein?
Norbert Blüm:
Wir brauchen wieder ein anständiges Rentenniveau. Das jetzt angesteuerte Niveau von 43 Prozent ist deutlich zu niedrig. Dann bräuchte es nämlich auch nicht diese ganzen Reparaturarbeiten wie zum Beispiel eine so genannte Lebensleistungsrente. Das vernebelt den Skandal des sinkenden Rentenniveaus.

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