Bissig, ehrlich und provokant

Forbach · Nicolas Lambert bringt mit seiner „Compagnie un pas de côté“ die Geschichte des Polit-Skandals um den französischen Staats-Erdölkonzern Elf in Forbach auf die Bühne.

 Überzeugend in sämtlichen Rollen des Prozesses um „Elf“: Nicolas Lambert. Foto: Erwan Temple/Le Carreau

Überzeugend in sämtlichen Rollen des Prozesses um „Elf“: Nicolas Lambert. Foto: Erwan Temple/Le Carreau

Foto: Erwan Temple/Le Carreau

Auf der kleinen Kellerbühne des Forbacher Le Carreau steht Nicolas Lambert hinter einem blau-weiß-roten Ölfass und blickt dem Publikum scharf ins Gesicht. Wir Angeklagten sollten uns erheben, fordert er. Denn vor Gericht sei das so üblich, wenn der Richter den Saal betritt. Rund einhundert Zuschauer sitzen auf den Rängen. So viele waren es auch damals, 2003 im Pariser Justizpalast, zählt man zu den 37 Angeklagten, denen da auf einen Schlag der Prozess gemacht wurde, auch ihre Anwälte und Angehörigen dazu. Der Prozess, den der Erdölkonzern Elf gegen leitende Mitarbeiter angestrengt hatte, war nur einer von vielen in der sogenannten "Affaire Elf", die durch die Ungeheuerlichkeiten, die sie ans Licht brachte, die 5. französische Republik bis in die Grundfesten erschütterte. Doch wurden auch die wirklich Schuldigen verurteilt?

Diese Frage wirft Nicolas Lambert an diesem Abend auf. Der Schauspieler verfolgte 2003 von März bis Juli sämtliche Verhandlungstage als Augenzeuge und spielt das Geschehen - in verdichteter Form - anhand von authentischen Aussagen der Beteiligten nach.

"Elf, la pompe Afrique", Teil eins seiner in Forbach gezeigten Trilogie "Bleu-Blanc-Rouge - L‘a Démocratie" ist Dokumentartheater at its best! Im Handumdrehen wechselt er vom Richter in die Rolle der drei Hauptangeklagten, denen vorgeworfen wird, "einen Teil von schwarzen Kassen entwendet und damit neue schwarze Kassen aufgemacht zu haben - zu ihrem eigenen Vorteil". Lambert springt zur Seite, krümmt sich und wird zum sabbernden Tattergreis André Tarallo, der erklären soll, wie er die Gelder für die schwarzen Kassen abzweigte. Der "Monsieur Afrique" der Konzernspitze hatte die Aufgabe, afrikanischen Staatschefs Wünsche zu erfüllen, um die Afrikageschäfte von Elf zu sichern. Laut Anklage aber soll er damit eigene Konten eröffnet und Luxuswohnungen gekauft haben. Was wusste Elf-Direktor Loik Le Floch-Prigent davon, den Lambert mit vorgeschobenem Bauch als diskret-reservierten Technokraten gibt. Dritter im Bunde ist Alfred Sirven, der Politiker im Inland schmierte.

Durch mimische Überzeichnung gibt er den Personen und Original-Aussagen auf umwerfende Weise satirische Qualität. Was ausgerechnet Le Flok-Pringent als Zurückhaltendster schließlich herauslässt, lässt die Drei wie Bauernopfer erscheinen: Die Elf-Spitze agierte mit Wissen des Staatspräsidenten Mitterand. Schlimmer noch: De Gaulle hatte Elf einst nur zu dem Zweck gegründet, die politischen, militärischen und ökonomischen Interessen des Staates in seinen ehemaligen Kolonien in Afrika abzusichern.

In Teil zwei seiner Trilogie widmete sich Lambert gestern der Atompolitik, heute Abend kommen die Verflechtungen von Politik und Rüstungsindustrie an die Reihe. Gerade sei seine "Compagnie un pas de côté" wieder irgendwo ausgeladen worden, erzählte Lambert. Bei einer Tagung ähnlicher Compagnien sei man sich einig gewesen, so der Schauspieler und Regisseur, der gar von "Zensur" spricht: Politisch brisantes Dokumentartheater habe in Frankreich derzeit einen schweren Stand. Nach kurzem Zögern fügt Lambert hinzu: "Sogar unter Sarkozy war es leichter."

Heute, 20 Uhr: "Rouge: Le Maniement des Larmes". Karten unter Tel. (00 33) 333 87 84 64 30.

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