Musikhochschule in der Abwärtsspirale

Saarbrücken · Sparauflagen setzen derzeit der Saarbrücker Musikhochschule gewaltig zu: Rektor Wolfgang Mayer hofft auf eine Lockerung der Daumenschrauben in den anstehenden Koalitionsverhandlungen.

Dass ein Hochschulrektorat wie in Saarbrücken ausgelagert wird, dürfte deutschlandweit ohne Beispiel sein. Aus Raumnot hat sich HfM-Rektor Wolfgang Mayer mit seiner Musikhochschul-Verwaltung selbst ausquartiert und sitzt seit einigen Monaten 100 Meter vom HfM-Campus entfernt - im 1. Stock eines unscheinbaren Bürogebäudes am Schillerplatz 1. "Wir haben uns überlegt, dass sinnvollerweise die Stillsten rübergehen", erklärt Mayer die Entscheidung. Die Stillsten waren die, für die Arbeit nicht bedeutet, ständig Musik zu machen. Über der Rektoratsetage befinden sich lauter Privatwohnungen.

Eigentlich war ein Erweiterungsbau für die HfM vor einigen Jahren so gut wie beschlossen. Nachdem dann ein anderer Erweiterungsbau in unmittelbarer Nachbarschaft für gewaltigen Dauerärger sorgte (der 4. Pavillon), verließ die Landesregierung wohl der Mut. Ein Gutachten bescheinigte der HfM seinerzeit ein Raumdefizit von 1000 Quadratmetern. Die aus Kompensationsgründen vor Jahren angemietete Alte Kirche deckt nur die Hälfte davon ab. Dass das HfM-Rektorat nun für fünf Jahre quasi neben der Alten Kirche unterkommt, unterstreicht, dass die HfM wohl noch lange mit ihrem vierfachen Raumprovisorium (Hauptgebäude, Alte Kirche, Rektoratsetage plus Unterrichtsräume in der alten Schillerschule) wird leben müssen. Wobei Platzmangel gar nicht das drängendste Problem der Hochschule ist - sondern der ihr bis 2020 auferlegte Sparplan im Zeichen der Schuldenbremse.

Vergangene Woche malte der Landesmusikrat bereits den Teufel an die Wand: Die der HfM zugemuteten Einsparungen seien für diese existenzgefährdend, bis 2020 könnten fünf Professorenstellen wegfallen. Der seit Dezember kursierende Sparfahrplan sieht für den Zeitraum 2015 bis 2020 insgesamt Einsparungen von 475 000 Euro vor - bei einem Jahresetat von derzeit 5,7 Millionen. Wie sich die HfM das aus ihren Rippen schneidet, bleibt ihr überlassen. Die Kopfzahl von fünf Professorenstellen ist insoweit nur eine rechnerische Größe, um vor Augen zu führen, was der HfM abverlangt werden soll. Aus Sicht des Rektors Unzumutbares, weshalb er hofft, dass der HfM-Etat in den Koalitionsverhandlungen nochmal aufs Tapet kommt - mit dem Ziel, die bis 2020 angelegten Schraubzwingen zu lockern. Kulturminister Ulrich Commerçon (SPD) habe ihm zugesichert, dafür zu kämpfen, sagt Mayer. Aus dem Ministerium heißt es, der HfM-Etat sei wie vieles Teil der Groko-Verhandlungen.

2015 und 2016 konnte die zum Aderlass gebetene Musikhochschule den geforderten Tribut noch ohne große Schmerzen bewältigen. Nun aber musste Mayer anstehende Ausschreibungen zweier neuer Professorenstellen (eine halbe Jazz-Professur für Gesang, Instrumentierung und Jazz-Didaktik sowie eine ganze Stelle für Orchesterdirigieren) auf Eis legen. Weil die Personalkosten inzwischen 88 Prozent des HfM-Jahresetats binden, lassen sich die bis 2020 auf 475 000 Euro kumulativ anwachsenden Einsparungen (durchschnittlich 90 000 Euro pro Jahr) nach Mayers Worten nur über Abstriche bei den Planstellen umsetzen. "Dieses Zahlenkorsett erwürgt die HfM", sagt er.

Es drohe die Schließung von Studiengängen und ein massiver Qualitätsverlust in der Lehre. Und damit ein Attraktivitätsverlust - eine Abwärtsspirale, die als Teufelskreis wirkt. Zwar zählt die Hochschule 42 Professoren (in diversen Besoldungsgruppen, die von A 10 über W 3 bis zu C 4 reichen). Daraus aber abzuleiten, dass Einsparpotenzial vorhanden sein müsste, würde die Lehrsituation an der kleinen Hochschule völlig verkennen. Mayer: "Einfach ein Stück aus dem Kuchen herauszuschneiden, das funktioniert nicht ohne Folgen an anderer Stelle." Er verweist auf die hohe Verzahnung der einzelnen HfM-Studiengänge.

Weil die beiden künstlerischen Hochschulen (neben der HfM die Hochschule der Bildenden Künste, HBK) anders als Universität und Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) keinen Globalhaushalt bis 2020 haben, sondern Jahr für Jahr neu veranlagt werden, können sie intern weniger umschichten, müssen dafür aber auch nicht etwa Tarifsteigerungen selbst finanzieren. Im Falle HfM kommt erschwerend hinzu, dass sie kaum Hochschulpaktmittel erhält. Die Höhe dieser äußerst lukrativen Bundesmittel (26 000 Euro pro Studienanfänger) bemisst sich daran, wieviele Erstsemester eine Hochschule heute im Vergleich zum Bemessungszeitraum 2005 ausweisen kann. Zwar zählt die HfM zehnmal so viele Bewerber wie sie Studienplätze hat (derzeit 440 Studierende), aufstocken aber kann sie eingedenk ihrer chronischen Raumnot nicht. Dass die HBK (484 Studenten, 16 Professorenstellen, 3,8 Millionen Euro Jahresetat) derzeit trotz ähnlicher Sparauflagen weniger klagt als die Musikhochschule, hat auch mit Hochschulpaktmitteln zu tun.

Anders als die HfM konnte die HBK ihre Studentenzahlen seit 2005 merklich erhöhen, sodass sie heute pro Jahr 500 000 Euro aus diesem Topf zur Abfederung ihrer Sparlast hat.

Was also lässt sich tun, fragt sich HfM-Rektor Mayer. Dass die HfM von der Schuldenbremse nicht ganz verschont bleiben kann, konzediert er ohne großes Wenn und Aber. Und denkt darüber nach, ob und wie sich die Einnahmenseite verbessern ließe. Weshalb Mayer als eine Überlegung Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer (die prozentual knapp ein Viertel aller HfM-Studenten ausmachen) ins Spiel bringt, wie dies in Baden-Württemberg gerade eingeführt wird und es in Sachsen bereits Praxis ist. Oder Studiengebühren für Examinierte, die nach Bachelor und Master noch eine Promotion oder ein Konzertexamen planen.

Vor lauter finanziellen Bredouillen gerät leicht in Vergessenheit, dass ein gravierendes HfM-Übel gemindert worden ist: die Situation der externen Lehrbeauftragten, die in vielerlei Hinsicht das Los des heutigen Künstler-Prekariats spiegeln. Dank einer neuen Vergütungsordnung liegt ihr zuvor 30 Jahre lang nicht angehobenes Stundenhonorar nun bei 33 Euro brutto. Auch wird nicht mehr zwischen Haupt- und Nebenfachunterricht unterschieden. Doch sind die Lehrbeauftragten, die nach den Worten ihres HfM-Sprechers Manuel Krass ein gutes Drittel des Lehrbetriebs stemmen, anders als die insoweit besser gestellten Korrepetitoren weiterhin nicht sozialversicherungspflichtig. Krass: "Wir sind gezwungen, eine Patchwork-Existenz zu führen.

" Mehr als 8000 Euro im Jahr (!) kann ein HfM-Lehrbeauftragter nicht verdienen. Damit sie sich nicht einklagen können, dürfen sie maximal 8,75 Wochenstunden halten. Krass stimmt Rektor Mayer jedoch zu, dass die neue Honorarordnung "eine deutliche Verbesserung gebracht hat". Nach den Worten Mayers, der "darauf ein bisschen stolz" ist, hat die HfM auf Seiten der Externen für mehr Planungssicherheit gesorgt.

Zwei neue Bausteine, um der HfM langfristig zu Letzterem zu verhelfen, sieht Wolfgang Mayer. Zum einen eine geplante, vom Bund getragene Junior-Professur für Musikvermittlung an der HfM. Mit ihr soll erstmals wissenschaftlich untersucht werden, welche Resonanz musikdidaktische Prozesse im Saarland haben. Zum anderen will Mayer Früchte der Digitalisierung für die Lehre nutzen - er denkt etwa an neue Sensortechniken, die Dirigierbewegungen digital erfassen. Videokonferenzen mit auswärtigen Dirigenten wären so denkbar. Dem Rektor selbst wäre zu wünschen, dass er die Politik so zu dirigieren verstünde, dass sie das bildungskulturelle Potenzial der HfM erkennt. Wie sagt er zu recht: "Es sind doch unsere Absolventen, die in Schulen Musik lehren, die Musikvereine leiten und an Musikschulen unterrichten."

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