Die artig besungenen Leuchttürme

Saarbrücken · SZ-Analyse: Die Kulturprogramme der saarländischen Parteien überbieten sich in Ideenlosigkeit und Allgemeinplätzen.

 Kultur braucht Geld, doch wieviel darf und muss es sein? Ein Beispiel für solche Budget-Diskussionen: Die Feuershow im Deutsch-Französischen Garten zur Eröffnung der „Perspectives" 2014. Foto: Iris Maurer

Kultur braucht Geld, doch wieviel darf und muss es sein? Ein Beispiel für solche Budget-Diskussionen: Die Feuershow im Deutsch-Französischen Garten zur Eröffnung der „Perspectives" 2014. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Das Schreiben kulturpolitischer Wahlprogrammbausteine muss man sich wohl als eine der elendesten Pflichtaufgaben professioneller Phrasendrescher vorstellen. Was soll man schon, wo alles ja angeblich leidlich gut funktioniert, alle fünf Jahre Neues fordern und wollen? Also wird tief in die Schublade gegriffen und recycelt, was man 2012 vor der Landtagswahl blumig kundtat.

Schon die ersten, dem Kultursektor gewidmeten, ritualisierten Sätze aus dem SPD-Regierungsprogramm lassen schaudern: "Kultur macht ein Land erst lebendig. Und unser Land sprüht vor Leben." Wenn A, dann B: Auf engstem Raum wird hier der Beweis erbracht, dass prinzipiell also alles total okay ist. Man stellt ja schließlich den Kulturminister. Weshalb die SPD (und damit der bisherige und nach Lage der Dinge wohl auch künftig verantwortliche Minister Ulrich Commerçon) absolut nichts Neues zu bieten hat: Die Festivallandschaft will man ausbauen (sprich das neue Festival "Colours of Pop" etablieren), beim Staatstheater Planungssicherheit bieten (durch "Übernahme von Tarifsteigerungen durch das Land"), während bei den künstlerischen Hochschulen (HBK, HfM) "eine stärkere Verknüpfung (. . . ) vorangetrieben werden" soll - was auch immer das heißen mag. Der Rest ist sozialdemokratisches business as usual: Stärkung der kulturellen Bildung und der Breiten- und Industriekultur. Das war's.

Kein Wort wird verloren über die ausstehende Novelle des Denkmalschutzgesetzes, die in dieser Legislaturperiode aus dem SPD-Kulturministerium kommen sollte. Heike Otto, seit nunmehr 15 Monaten Leiterin der Kulturabteilung, sollte sie voranbringen. Bis heute liegt nicht mal ein Entwurf vor - kümmert Denkmalschutz keinen? Kein Wort auch über die saarländische Universitäts- und Landesbibliothek, die Unterstützung verdiente. 2010 hatte die seinerzeit oppositionelle SPD immerhin noch ein Landesbibliotheksgesetz gefordert, um die adäquate Ausstattung kommunaler Büchereien zur Pflichtaufgabe zu machen.

Dass die kulturpolitischen Leitlinien der CDU differenzierter und zukunftsweisender als die des (Noch-)Koalitionspartners wären, lässt sich nicht behaupten. Auch die Christdemokraten ergehen sich in den üblichen nichtssagenden Willensbekundungen ("Wir brauchen ein möglichst großes Spektrum kultureller Aktivitäten"). Man begrüßt die Initiative des Pop Rates, erkennt überhaupt im Bereich Popkultur "ein großes künstlerisches Potenzial" und will Kontinuität bei den artig besungenen Leuchttürmen Staatstheater, HfM und HBK, Saarlandmuseum sowie den Festivals Ophüls und Perspectives.

Immerhin wird die CDU in einem Punkt konkret, der ihrem Innenminister Klaus Bouillon Daumenschrauben anlegen würde, käme es zur Neuauflage der GroKo: In einem "Bestanderhaltungspakt Kultur" will die CDU festschreiben, dass Kommunen mindestens ein Prozent ihres Haushaltes für Kulturaufwendungen "verwenden dürfen und dieser vor Einsparvorgaben geschützt ist" - seitens der im Innenministerium angesiedelten Kommunalaufsicht. Wo Kommunen mehr als ein Prozent aufwenden, was nicht nur in Saarbrücken (2,84 Prozent inklusive Festkultur) vorkommt, wäre ein solcher Pakt unnütz. Interessant wäre es auch, dabei die 2012 von der CDU eingeführte "Kulturabgabe" einzurechnen, mit der Kommunen pauschal mit 16 Millionen Euro pro Jahr an der Landeskultur-Finanzierung beteiligt werden. Sollte in der einen Tasche künftig Bestandsschutz gelten, während in der anderen abkassiert wird?

Bleiben die kleineren Parteien: Die hierzulande größte, Die Linken, beteuert, "günstige Rahmenbedingungen und Freiräume schaffen" zu wollen - was auch immer das heißen mag. Auf kommunaler Ebene soll ein Sozialpass schwächer Gestellten Zugang zur Kultur gewähren. Das Kunst-Prekariat selbst nimmt man auch in den Blick und will für in der Kultur- und Kreativwirtschaft Tätige Mindestentgelte festsetzen. Gefordert wird ein Kulturentwicklungsplan 2020, ein Aufgehen des Historischen Museums in der Stiftung Kulturbesitz, die Prüfung einer etwaigen Unterstützung einer Saarphilharmonie sowie eine Neufassung des Denkmalschutzgesetzes.

Die Grünen wollen 1) Kulturförderung zur kommunalen Pflichtaufgabe machen - was bundesweit nur Sachsen gelungen ist. 2009 opferten sie für die damalige Jamaika-Koalition dieses, ihr seinerzeit wichtigstes kulturpolitisches Ziel. Wie die Linken fordern sie 2) sowohl ein neues Denkmalschutzgesetz als auch 3) die bessere Absicherung von Künstlern. Zudem propagiert man 4) eine Bündelung der "verschiedenen Landesaktivitäten in den Bereichen Kultur und Industriekultur zentral in einem Ministerium" und 5) reichlich vage eine Stärkung der Bibliotheken.

Die AfD will a) Kulturkürzungen mit einem Kulturentwicklungsplan entgegenwirken (nach welcher Logik eigentlich?), b) die Musikfestspiele Saar erhalten, c) den Bau der Saarphilharmonie unterstützen, d) die Industriekultur "in eine professionell gemanagte Gesellschaft" überführen und e) einen Ideenwettbewerb für die künftige Nutzung des Pingusson-Baus initiieren. Das deckt sich in den Punkten a, b, c mit den spärlichen FDP-Einlassungen zur Kultur. Ansonsten will die FDP einen kostenlosen Museumspass für Azubis, Schüler und Studenten sowie "Dozenten/Studierende/Künstler aus dem Bereich der Kultureinrichtungen verstärkt in Kitas und Schulen auftreten" lassen. Sagenhaft!

Unterm Strich überbieten sich die Parteien in Allgemeinplätzen, Leuchtturm-Geschwafel und Ideenlosigkeit. Strukturpolitische Ansätze liefern CDU (Bestanderhaltungspakt), Linke (Kippen des Kooperationsverbots von Bund und Ländern/bessere Finanzierung der Kommunen) und Grüne (kommunale Pflichtaufgabe Kultur).

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