Geschirrspülen mit aphrodisierender Wirkung

Früher war alles besser. Oder doch nicht? Beim Rückblick auf die 60er, 70er, 80er und 90er Jahre werden SZ-Redakteure „nostalgisch“. Heute geht es um Frau Tilly und die Spülhände.

Die Wahl eines Geschirrspülmittels kann sich im modernen Supermarkt quälend lange hinziehen. Zuviel Auswahl. Was war das schön - und zeitsparend - als man sich im Wesentlichen zwischen bunten Prilblumen für Kinder und Küchenschränke und Handbädern nach Frau Tillys Rezept entscheiden musste. Mich hat Tillys TV-Schönheitsalon immer mehr angemacht. Da konnte man wirklich noch eine persönliche Beziehung zu seinem Geschirrspülmittel aufbauen - und zu Frau Tilly alias Jan Miner. Die US-Amerikanerin spielte die Rolle von 1966 bis 1992 und wurde damit zu einer internationalen Werbe-Ikone. Heute ist Frau Tilly tot und die Geschirrspülmaschine die beste Freundin der Hausfrau - und ihrer männlichen Mitbewohner, die über die Jahre zunehmend auch in den Genuss solcher - eher unfreiwilligen - Handbäder kamen. Mit Tilly wurde die Küche zum Kosmetikstudio, Spülen zum Spaß, Hausarbeit zur Auszeit! Und das Geschirrspülmittel zum Aphrodisiakum, wenn Tilly der Kundin tief in die Augen blickte und mit dunkler, lasziver Stimme neckisch fragte: "Na-ha….Fremdgegangen?".

Ach Tilly, du perfekt Frisierte! Dein Palmolive stand nicht einfach funktional auf der Küchenspüle rum, sondern Du machtest daraus ein "Schönheitsrezept für die Hände", auf das Generationen von Frauen vertrauten, die ihre Finger bereitwillig in deine Glasschüssel mit der Seifenlauge tauchten. Heute spült ja niemand mehr, aber damals hatten Frauen offenbar eine Art erotische Beziehung zu ihrem Spülschwamm. Wie sie mit manikürten, makellosen Fingernägeln wohlig im schaumigen Spülwasser - oh pardon "Palmolive"! - planschten. Und wenn der glitschige Spülspaß vorüber war und die Gläser wieder ordentlich und fettfrei funkelten, war jeder Hausfrau klar: "Fremdgehen lohnt sich nicht." Nur die Prilblumen von der Konkurrenz hätte frau vielleicht auch gerne gehabt…Aber gut, in Beziehungen muss man sich halt manchmal entscheiden.

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