Die U-Boote von Oberwürzbach

Oberwürzbach · Nachdem eine lange Talsohle durchschritten scheint, will der saarländische Conte Verlag jetzt vor allem literarisch wieder sichtbarer werden.

 Stefan Wirtz (47) im Verlag, eine Dachwohnung in Oberwürzbach. Fotos: cis

Stefan Wirtz (47) im Verlag, eine Dachwohnung in Oberwürzbach. Fotos: cis

Ein Haus wie Abertausende hier. Kein Schild, nichts. Immerhin auf der oberen Klingel der typische Conte-Schriftzug. So unscheinbar können also heute Verlagshäuser sein. "Das war früher unser Wohnzimmer", sagt Roland Wirtz später. In dieser Oberwürzbacher Dachwohnung, der Blick geht auf einen dahinter liegenden steilen Waldhang, werden also heute die Bücher des Conte Verlages entwickelt. Einen Moment lang ist man irritiert, dann findet man's ganz normal. Verleger Wirtz kommt morgens zu Fuß, er wohnt mit seiner Frau und Tochter nur hundert Meter von seinem Elternhaus entfernt. Typisch Saarland eben. Warum auch nicht?

Eine harte, aufreibende Zeit liegt hinter Wirtz. Der Tod seines Verlagspartners Roland Buhles, der 2013 mit 54 Jahren starb, hob Conte aus den Angeln. Buhles und Wirtz hatten den Verlag 2001 aus der Taufe gehoben und über gut zehn Jahre hinweg zur wichtigsten Literaturadresse an der Saar aufgebaut. Buhles' Tod traf den kleinen Verlag ins Mark. Von der Buchdruckerei, die ihn lange mittrug, musste man sich trennen - begleitet von finanziellen Querelen, die am Ende gut ausgingen. 2016 starb dann auch noch Stefan Wirtz' Vater. "Ich war jetzt vier Jahre lang Krisenmanager", beschreibt er das hinter ihm liegende tiefe Tal.

Jetzt aber will er wieder in die alte verlegerische Spur zurückfinden. "Ich kann endlich wieder aktiver werden", sagt Wirtz, begleitet von einem handfesten Lächeln. Sieht man sich das aktuelle Frühjahrsprogramm von Conte an, wird deutlich, was er damit ausdrücken will: So dünn, keiner weiß das besser als Wirtz, war das Neuerscheinungen-Portfolio bei Conte lange nicht. Weil der geplante Spitzentitel kurzerhand wegbrach, muss der Verlag deshalb in seiner bemerkenswert abgespeckten Frühjahrsvorschau gleich in Gestalt eines Krimis mit der Tür ins literarisch spartanisch möblierte Haus fallen. "Nachtgespenster", der vierte Irland-Krimi von Carolin Röhmer, eröffnet ein Programm, das noch sehr viel überschaubarer ausfiele, dienten nicht diverse, bereits angebotene Titel zur Auffüllung. "Früher, als Roland noch gelebt hat, haben wir 20 Titel pro Jahr gemacht, jetzt sind es noch zehn." Fragt man Wirtz weshalb, sagt er: "Ist gesünder. Fühlt sich besser an." Die Gesamtzahl der verkauften Verlagsbücher sei heute höher als damals bei 20 Titeln im Jahr. Tatsächlich drohte sich Conte früher zu verzetteln vor lauter Programmreihen, die dann nur halbherzig bestückt wurden. Aber mehr Vielfalt als derzeit soll es schon wieder geben, kündigt Verleger Wirtz an. Was bei 50 bis 60 Manuskripten, die monatlich eingehen in Oberwürzbach, machbar sein sollte. Ihre Qualität ist Wirtz zufolge besser geworden mit den Jahren - was darauf zurückzuführen sein könnte, dass sich Conte in der Branche doch einen gewissen Leumund erarbeitet hat.

Durchschnittlich fünf dieser Einreichungen (teils auch auf Empfehlungen von Literaturagenturen basierend, mit denen Conte kooperiert) schaue er sich mit seinen Verlagsleuten - festangestellt sind ein Lektor, ein Graphiker und eine Buchhalterin; hinzu kommen auf Honorarbasis "Testleser" (Wirtz) - genauer an. Davon wiederum komme "alle zwei Monate ein Buch durch" - was unterm Strich immerhin die Hälfte einer Conte-Jahresproduktion ist. Man ahnt, dass der Verlag vornehmlich mit Krimis zugeschüttet wird, die heute ja Hinz und Kunz glaubt schreiben zu können. Seltener wird Conte mit guten Romanstoffen bestückt, weil man (zurecht) nicht als Literaturverlag gilt. Und noch seltener mit ertragreicher regionaler Belletristik. Obwohl Conte nach dem Ende von Gollenstein, da der benachbarte Geistkirch Verlag kaum Prosa druckt, im Grunde die einzige regionale Literaturadresse ist. Martin Bettinger, Mark Heydrich und die Pfälzer Marcus Imbsweiler und Frank P. Meyer sind als Autoren für Wirtz oft gesetzt. Dazu gehören noch Jörg W. Gronius und Andreas Dury zum engeren Autorenkreis. Wer wie woran arbeitet, findet früher oder später über Zuträger oder die Autoren den Weg nach Oberwürzbach. "Ich habe U-Boote überall", drückt Wirtz es aus.

 Die Haustür mit der Verlagsklingel.

Die Haustür mit der Verlagsklingel.

2005 machte der Verlag Zweidrittel seines Umsatzes in der Region, heute ist es eher umgekehrt - weil Standortnachteile in digitalen Zeiten (und social networking) schwinden, Conte viele Frankfurt-Krimis macht und der Direktvertrieb an Bedeutung gewinnt. Friedhelm Schneidewinds druckfrisches, 800-seitiges "Das große neue Tolkien-Lexikon" etwa wird Wirtz auf der Jahrestagung der Tolkien-Gesellschaft platzieren. Und nächste Woche auf der Leipziger Buchmesse. Dort, ist er sich sicher, wird es wieder "den einen Moment geben, für den sich die ganze Messe lohnt". Zum Beispiel ein gutes Romanmanuskript. Hoffentlich.

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