Gib den Äffinnen Zucker

Forbach · Macha Makeïeff und ihre Marseiller Truppe versuchen im Forbacher Carreau Molières letztes Stück ins Heute zu retten. Aber sollte man das auch?

 Szene mit dem schmierigen, von den Damen angehimmelten Trissotin auf seinen Plateausohlen. Foto: Brigitte Enguerand

Szene mit dem schmierigen, von den Damen angehimmelten Trissotin auf seinen Plateausohlen. Foto: Brigitte Enguerand

Foto: Brigitte Enguerand

Als Frauen im Frankreich des 17. Jhr. Ansprüche auf Bildung und Wissen erhoben und in aristokratischen Salons kultivierten, war Molière nicht der erste und einzige Zeitgenosse, der sie in Komödien verspottete. Wie schon in seinen "Lächerlichen Preziösen", so auch in seinem letzten Stück "Die gelehrten Frauen", stellte er sie als hohle Dummbeutel hin, die durch ihren Drang zu Höherem riskieren, das echte Liebesglück mit einem guten Burschen zu verpassen.

Kann man so etwas heute noch lustig finden, wo Frauen ebenso wie Männer in die Höhen und Weiten des Weltraums vorstoßen? Sollte man Molières letzte Verskomödie "Trissotin ou les femmes savante", und sei sie auch noch so gut gebaut, nicht einfach ad acta legen, statt zu versuchen, sie auf der Bühne ins Heute zu retten? Macha Makeïeff hat Letzteres gewagt. Die Theaterregisseurin, die am Mittwoch (sowie gestern) mit ihrer Marseiller Truppe im Forbacher Carreau gastierte, hat ein ausgewiesenes Talent für Komik - die TV-Serie "Les Dechiens", die sie mit dem Jacques-Tati-Neffen Jérôme Deschamps begründete, ist in Frankreich Kult. Makeïeff verlegt - ohne an Molières Versen etwas zu ändern - das Treiben innerhalb einer Großfamilie mit Verehrern und Anverwandten in die Zeit der 60er/70er, als die Frauen sich erneut anschickten, die nächste Stufe der Emanzipation zu zünden.

Die heiratsfähigen Töchter tragen Minikleider und tänzeln mit ihrem coolen Burschen in der großbürgerlichen Familien-Stadtvilla wie im Swinging London. Währenddessen lässt es die Mutter mit der Tante im eigenen Chemielabor knallen und zischen. Makeïeff gibt dem Affen, pardon: den Äffinnen Zucker, um die überspannt erscheinen zu lassen. Die Tante, die sich einbildet, Objekt der Begierde zu sein, gibt ein männlicher, korpulenter Darsteller, sexy wie Queen Mum. Orgiastische Schreie stoßen die Damen aus, wenn sie verzückt ihrem Guru Trissotin lauschen. Als effeminierter (heute würde man Transgender sagen), schmierig-schmächtiger Dichter auf Plateausohlen stolziert der typische Molièresche Hochstapler daher. Der nach vielem vergeblichen Räsonnement am Ende mit fingierten Briefen als nur aufs Geld Gierender überführt werden muss, damit die pseudogelehrten Frauen sich vom ihm abkehren und die Tochter den Richtigen heiratet. Was Makeïeff eigentlich enttarnen wollte, sei das Trugbild der intakten bürgerliche Familie, die in Wirklichkeit implodiere, da jeder eigene Interessen verfolge, war zu lesen. Aha. Die Regisseurin und ihre Darsteller beherrschen die Klaviatur der Komik. Das Publikum lacht, dennoch fragt man sich am Ende: War der patriarchalische Molière den Aufwand wert?

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Nächste Termine im Carreau: Am 24. März gastiert die von der Elfenbeinküste stammende Sängerin Fatoumata Diawara. Im Kino war sie im Film Timbuktu zu sehen, der 2015 einen französischen César gewann und wo sie auch die Originalmusik einspielte. Angekündigt wird sie mit "melancholischen Balladen und elektrisierenden Folkstücken". Danach gastiert vom 4. bis 7. April der Galapiat Cirque im Carreau - ein siebenköpfiger finnischer Frauenzirkus. Ihr Programm "Mad in Finland" ist inspiriert von einem Klassiker der finnischen Literatur: Alexis Kivis "Die Sieben Brüder".

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