Sagen wir: Elektronischer Pfahlbau

Saarbrücken · Andreas Durys „Pfahl“: Im Herbst soll das Buch über ein ominöses Computersystem erscheinen.

 Andreas Dury (55), seit 1988 in Saarbrücken lebend. Foto: Iris Maurer

Andreas Dury (55), seit 1988 in Saarbrücken lebend. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

"Im Prinzip schreibt man immer an einem Buch." Mit dieser Einschätzung eröffnete der seit 1988 in Saarbrücken lebende Schriftsteller Andreas Dury am Dienstagabend seine Lesung in der Malstatter Unionsstiftung. Dury, der als Dozent in der Erwachsenenbildung und als Softwareentwickler arbeitet, hat sich mit seinen philosophisch-politischen Romanen "Schachtelkäfer" (2003) und "Oh Tapirtier" (2009) einen Namen als Erzähler gemacht.

Aus seinem jüngsten, 2012 bei Conte erschienenen Erzählband "Ich und Ben" las er in der ersten Hälfte des Abends. Durys "Hans im Glück"-Geschichte erzählt das Leben eines Vaters, der sich von seiner Frau trennt und fortan alleinerziehend mit seinem Sohn Ben durchs Leben zieht. Ein Vater, der mit der Nachgeburt in der Plastiktüte nach der Hausgeburt erstmal eine rauchen geht und in 18 Monaten für seinen Sohn ein Boot aus Pappmaché baut, das nach der ersten Fahrt Schiffbruch erleidet.

Im unveröffentlichten Manuskript "Pfahl", aus dem Dury danach las, steht erneut ein ominöses Mammutprojekt im Zentrum. Der in Berlin lebende Informatiker Ludwig Pfahl hat in fanatischer Eigenbrötlerei über 30 Jahre lang ein Computersystem namens KAIRA ausgetüftelt, mit dem erstmals Künstliche Intelligenz im operativen Handeln einer regierenden Macht - der EU-Kommission - erprobt werden soll. Klingt verwegen, ist es auch. Doch zu Beginn kehrt der Protagonist nach dem Tod seines Vaters in die alte Welt zurück. Dury beschreibt die Landschaft des Wasgaus, wo das Wasser des Sulzbachs "das goldene Licht der untergehenden Sonne in der Luft zerspringen" lässt, umgeben von pittoresken Auen. Im Blick des Erzählers verschmilzt die Erzählzeit mit der Echtzeit.

Harter Schnitt: Pfahls Ehefrau Annette besucht ihren Cousin Bruno im Elsass, der in einer Mühle ein Flüchtlingsheim betreibt. Bei ihrer Ankunft wird die Mühle von Fremden angegriffen. Sperrfeuer und Explosionen beherrschen die in kurzen Sätzen eingefangene Kriegsszenerie, die vom herbeigeeilten Einsatzkommando unter Kontrolle gebracht wird. Was sich hinter all dem verbirgt, verrät Dury nicht. Doch legt die letzte gelesene Passage nahe, dass die Ereignisse mit Pfahls Computersystem KAIRA zu tun haben. Bruno erklärt Annette die sogenannte "kosmologische Spekulation": "Das Hirn muss zwei Zeiten integrieren - die kosmische und die eigene Zeit. Diese Aufgabe offenbart sich ihm als Sehnsucht nach einer Erzählung über die Welt, in der er selbst vorkommt und die ihm seine Gegenwart erklärt. Die Arbeit an dieser Erzählung nennen wir kosmologische Spekulation." Und eben hierfür soll KAIRA eingesetzt werden.

Auch wenn Durys Lesung mehr Rätsel aufgibt als Antworten parat hält: Der Stoff fesselt. Man darf gespannt sein auf ein philosophisches Narrativ, in dem sich die alte mit der neuen Welt zu verschränken scheint.

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