Abgezweigt: die „Schachnovelle“ als Comic

Saarbrücken · Ozeandampfer, Schach, Weltmeister, ein Unbekannter - das sind die Elemente von Stefan Zweigs Erzählung "Schachnovelle". Geschrieben hat er sie Ende der 1930er Jahre im brasilianischen Exil. Sie spielt zu Beginn des Zweiten Weltkriegs auf einer Fahrt von New York nach Buenos Aires und dreht sich um den tumben Mirko Czentovic, der nur eine einzige Gabe hat: ein Gespür für Schach, das ihn zum Weltmeister machte. Umso verblüffter ist er, als der österreichische Emigrant Dr. B. bei einem Spiel an Bord eingreift und sich dem Meister als mehr als ebenbürtig erweist.

 Das Verhör als Höllenritt: ein Motiv aus Thomas Humeaus Comic-Adaption der Zweig-Novelle. Foto: Knesebeck

Das Verhör als Höllenritt: ein Motiv aus Thomas Humeaus Comic-Adaption der Zweig-Novelle. Foto: Knesebeck

Foto: Knesebeck

Der französische Illustrator Thomas Humeau hat Zweigs Werk als Comic umgesetzt, mit schnellem Strich und greller Farbigkeit. Gerade die Figur des Dr. B trifft er in ihrer tiefen Verzweiflung: Der Blick von B. ist traurig, der Mund nicht sichtbar, als hätte ihn etwas in seiner Vergangenheit der Sprache beraubt. Humeau wird ihn auch als jungen Mann zeichnen, kurz vor der Verhaftung durch die Gestapo, als er noch einen Mund hatte, lächeln konnte.

Die Umstände und Folgen von Dr. B.'s Verhaftung gibt Humeau wortgetreu wieder. Das Hotelzimmer, in dem B. interniert ist, ist eine rotbraune Hölle, ein Käfig, der mit B. direkt in einen Abgrund saust. Dass Humeau die Verhörer direkt zu Wort kommen lässt, anders als in der Vorlage, ist ungeschickt, da es dem Ganzen den klaustrophobischen Charakter nimmt. Humeau erfindet zudem die kokette Kapitäns-Tochter Emma, auf die ein Teil der Rolle des Ich-Erzählers übergeht; den anderen muss Czentovic übernehmen. Was ihn arg prahlerisch werden lässt und seine eigentlich wortarme Stumpfheit konterkariert.

Trotzdem besitzt Humeaus "Schachnovelle" Atmosphäre, vor allem wegen der Farben: Blau-Türkis bei der anfänglich unterkühlten Schachpartie, kränkliches Lila für B.'s Angstträume und seinen Rückfall in die "Schachvergiftung", eine künstlich herbeigeführte Schizophrenie. Nur unaufhörlich imaginierte Schachpartien gegen sich selbst hielten ihn davon ab, seinen Folterern zuviel zu gestehen. Am Ende geht B. von Bord - es sieht kurz so aus, als löse er sich in seine Bestandteile auf.

Thomas Humeau: Die Schachnovelle. Knesebeck, 122 Seiten, 22 Euro.

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