Ein großer Schluck vom „Liebestrank“

Saarbrücken · Gaetano Donizettis Oper „Liebestrank“ hatte am Samstag Premiere im Saarländischen Staatstheater. Ein Abend der Vieldeutigkeiten.

 Zwischen Steampunk und „Metropolis“ – das Bühnenbild entwarf Volker Thiele, die Kostüme Kathrin Engel. Foto: Thomas M. Jauk

Zwischen Steampunk und „Metropolis“ – das Bühnenbild entwarf Volker Thiele, die Kostüme Kathrin Engel. Foto: Thomas M. Jauk

Foto: Thomas M. Jauk

Vermeintlich altmodisch ist die Originalkulisse eines italienischen Dorfes in Donizettis Oper "Der Liebestrank"; um dem zu entgehen, verlegten Regisseure sie schon auf einen Jahrmarkt, an einen südlichen Badestrand oder, recht boshaft, in ein Sanatorium. Egal: Die Handlung funktioniert immer und überall, weil sie auf ewigen Werten und Themen beruht - der Liebe, der Habgier, der Leichtgläubigkeit.

Am Saarländischen Staatstheater hatte die Regisseurin Solvejg Bauer offenbar die Magie eines rostigen Hüttenwerkes gespürt und in einem Bogen von Jules Verne bis "Star Wars" konsequent ausfabuliert. Da purzelten bei der Premiere am Samstagabend die Spieler aus gewaltigen Rohren auf die Bühne, da schwebte der Quacksalber Dulcamara in einem glitzernden, kugelförmigen Maschinenpolypen vom Schnürboden herab; statt der Hände hatte er alptraumhafte Tentakel (Bühnenbild: Volker Thiele, Kostüme: Kathrin Engel). Aus dem Souffleurkasten wand sich der Arm eines Hummermenschen heraus, Lemuren umschlangen Adina, und selbst im Feuerloch grinste eine Fratze. Während die Protagonisten in der Oberwelt ihre Liebesgeschäfte erledigten, drängten sich tief unter ihnen die malochenden Arbeiter.

Die Vieldeutigkeiten häuften sich: War das Kostüm Adinas ägyptisch? Krönte den Offizier ein römischer Helm oder eine Irokesenfrisur? Warum schlich Gianetta (Elena Harsányi) mit einem Messer umher? War man bereit, das trockene "Warum?" aufzugeben und sich diesen wild wuchernden Einfällen hinzugeben, dann tauchte man in eine Wunderwelt ein, durchleuchtet von der zauberhaft spritzigen und einfallsreichen Musik Donizettis.

Das war vor allem den beiden Hauptrollen zu verdanken. Yitian Luan als Adina verließ sich nicht nur auf ihre virtuosen Koloraturen, sondern auf die dramatische Kraft ihrer Stimme (gelegentlich etwas zu viel); sie fand auch viele Ausdrucksnuancen für den schillernden Charakter dieser Figur samt Wandel von der Umworbenen zur Werbenden. Carlos Moreno Pelizari als Nemorino machte die Entwicklung vom schüchternen Verehrer zum auftrumpfenden Frauenheld, vom armen Schlucker zum Universalerben mit Humor deutlich. Die Duette waren von einer glühenden Italianità geprägt, die Verdi vorausahnen ließ. Stefan Röttig zeichnete den sieggewohnten Charmeur Belcore mit der nötigen ekligen Zudringlichkeit, während Markus Jaursch als windiger Dulcamara seine Schnellsprech-Kaskaden à la Rossini unfallfrei und mit witziger Spielfreude präsentierte.

Das Staatsorchester unter der ebenso sicheren wie nuancenreichen Leitung von Stefan Neubert passte sich dem wechselnden Tonfall an, was von leidenschaftlichen Ausbrüchen bei den großen Auseinandersetzungen bis zu barocken Anklängen in den Rezitativen reichte. Der Chor (Jaume Miranda) sang in gewohnter Qualität und bewältigte die ungewohnten szenischen Anforderungen buchstäblich spielerisch. Schade nur, dass die Übertitel schwer zu lesen waren - die aktuelle Übersetzung von David Greiner bot viel hintergründigen Witz. Ungeachtet einer gewissen Ratlosigkeit, die den Pausengesprächen zu entnehmen war, wurde die Premiere mit rhythmischem Beifall belohnt.

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Die nächsten Aufführungen: 9., 22., 26., und 31. März. 6. und 23. April. 5., 9., 16. Mai. 7., 17., 24. Juni. Karten und Infos: Tel. (06 81) 309 24 86.

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