Das Leben, bei ihm ohne Verdünnung

Düsseldorf · Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zeigt mit „Der böse Blick“ wichtige Entwicklungslinien des Malers Otto Dix.

 Otto Dix 1926 entstandenes „Bildnis des Fotografen Hugo Erfurth mit Hund“. Fotos: Kunstsammlung NRW

Otto Dix 1926 entstandenes „Bildnis des Fotografen Hugo Erfurth mit Hund“. Fotos: Kunstsammlung NRW

Bilder verkaufte Otto Dix keine. Aber als "Spießerschreck" hatte er sich in Dresden einen Namen gemacht. Bei Porträtsitzungen spuckte er auf den Boden, auch nachdem die Dame des Hauses extra mehrere Spucknäpfe im Zimmer verteilt hatte. Mit dem Pinsel spritzte er derart um sich, dass der Raum danach einer Renovierung bedurfte. An der Tür seines kleinen Ateliers stand in dicken Lettern geschrieben: "Ihr Besuch interessiert mich nicht".

Für den 1891 in Untermhaus bei Gera geborenen Otto Dix, der als Soldat in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges erlebt hatte, wozu Menschen fähig sind, gab es nur zwei Möglichkeiten: "Entweder ich werde berühmt oder berüchtigt." Dafür aber brauchte er Käufer. An den Malerfreund Conrad Felixmüller schrieb er: "Ich bin weder auf die Anerkennung durch die Spießer oder Nichtspießer angewiesen, wohl aber auf das Geld der ersteren." Weil es im gut bürgerlichen Düsseldorf jede Menge davon gab, verwies Felixmüller Dix an Johanna Ey. Die hatte in Düsseldorf eine Kaffeestube eröffnet, in der sich mittellose Künstler trafen. Weil sie die Zeche mit Bildern bezahlten, war "Mutter Ey" bald angesehene Galeristin. Auch den jungen Dix nahm sie unter ihre Fittiche, als er 1922 nach Düsseldorf zog. Sie stellte seine Werke aus, besorgte Aufträge, suchte ihm ein Atelier, stopfte gar seine Hosen.

Mit "Der böse Blick" widmet die Kunstsammlung NRW Dix jetzt eine sehenswerte Ausstellung und zeigt, wie er sich in seinen drei Düsseldorfer Jahren bis zum Umzug 1925 nach Berlin als Mensch stabilisierte und als Künstler etablierte. Hier bekam er seine ersten Porträtaufträge, erlernte er als Schüler an der Akademie bei Heinrich Nauen altmeisterliche Lasurtechniken und bei Wilhelm Herberholz neue Drucktechniken, wandelte sich vom expressiv-veristischen Dadaisten zum berühmtesten Vertreter der Neuen Sachlichkeit neben George Grosz und Christian Schad. In der Künstlergruppe "Das junge Rheinland" fand er Gleichgesinnte. Nie wieder war Dix so produktiv. Die meisten Aquarelle malte er in Düsseldorf. Viele sind in der Schau zu sehen. 230 Werke hat Kuratorin Susanne Meyer-Büser zusammengetragen.

1921 reist Dix erstmals an den Rhein. Er schläft im Nebenraum von Eys Galerie und porträtiert den Arzt Dr. Hans Koch. Nicht sehr schmeichelhaft mit dicker Brille und Schmiss auf der Backe. Dix spannt ihm die Frau aus. Beide heiraten im Frühjahr 1923. Im Juni wird Tochter Nelly geboren. Das "Bildnis Dr. Hans Koch" (1921) ist Auftakt einer Reihe bedeutender Porträts, die das K20 zeigt. Neben Johanna Ey (als dicke Matrone mit Diadem) malt Dix den Fotografen Hugo Erfurth (mit Schäferhund), den Kunsthändler Alfred Flechtheim und Tänzerin Anita Berber.

"Ich brauche die Verbindung zur sinnlichen Welt, den Mut zur Hässlichkeit, das Leben ohne Verdünnung", sagte Dix über seine Arbeit. Sieht man seine Bordellszenen und derben Frauenakte, weiß man, was er meinte. Er war an der entlarvenden Darstellung des Realen interessiert. Mehr als einmal führte das zum Skandal. Als das Kölner Wallraf-Richartz-Museum etwa sein Gemälde "Schützengraben" ankaufte, war der Protest der Besucher so heftig, dass Bürgermeister Konrad Adenauer die Entfernung und Rückgabe durchsetzte.

Nicht weniger verstörend ist der Radierzyklus "Der Krieg" (1924) mit seinen zerstückelten Leibern. Alle 50 Blätter sind im K20 zu sehen. Ausstellungsarchitekt Ulrich Zickler hat eine Art Tunnel in die große Grabbe-Halle hinein gebaut, der die düstere Wirkung noch verstärkt und jedes einzelne Bild voll zur Wirkung bringt. Dix selbst sagte zu den Kriegsbildern: "Man muss den Menschen im entfesselten Zustand gesehen haben, um etwas über den Menschen zu wissen." Ganz bewusst wollte er schockieren. Bei sich zu Hause hing über dem Esstisch deswegen die Grafik "Lustmord", die einen aufgeschlitzten Frauenleib zeigt.

Bis 14. Mai; Di-Fr: 10-18 Uhr, Sa/So:11-18 Uhr; Düsseldorf, Grabbeplatz

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