Feiern mit Witwen und Engeln im Partykeller

Früher war vermeintlich alles besser. Oder doch nicht? Beim Rückblick auf die 70er, 80er und 90er Jahre werden SZ-Redakteure „nostalgisch“. Feiern Sie heute mit mir mal wieder im schönen deutschen Partykeller mit abgefahrenen Getränken.

Heute beginnen Partys meist mit dem obligatorischen Glas Crémant, das man schon an der Türschwelle in die Hand gedrückt bekommt. Aber damals, als wir noch in diversen nach Bier und Nikotin müffelnden Partykellern feierten, am Liebsten, wenn Mama und Papa ausgeflogen waren, war die Getränkekarte viel kreativer. Das langweiligste Gesöff der 80er Jahre war definitiv Cola-Bier. Eine harmlose Einstiegsdroge im Vergleich zu Cola wahlweise gemixt mit Whisky oder Bacardi - für das "Feeeeeeeling". Am Kritischsten aber wurde es mit der"Grünen Witwe" oder dem "Blauen Engel". Der Curacao darin - ein blauer Zuckerlikör - verströmte spätestens beim zweiten Glas betörende Exotik und manchmal auch peinliche Erotik in der selbstgezimmerten holzverkleideten Kellerbar, die in der Deluxe-Version einen echten Zapfhahn hatte und der ganze Stolz des werkelnden Hausherrn war. Wer keine Disko-Kugel hatte - oft war einfach auch die Decke zu niedrig, um eine aufzuhängen - klebte ersatzweise modellierte Alufolie an die Wände, die dann mit bunten Strahlern angeleuchtet wurde, was zumindest einen Hauch von Disco-Flair in den Keller brachte. Die Musik kam aus dem Kassettenrecorder - und wehe der DJ spulte zu viel hin und her! Und dann gab es in der Bar meist noch allerlei kuriose Utensilien, darunter manchmal auch anzügliche Scherzartikel: zum Beispiel kleine Männchen, die Erdnüsse spuckten und nach drei Grünen Witwen sehr lustig waren. Oder einen Flaschenöffner mit dicken Brüsten - eines der beliebt-peinlichen Gruppen-Geschenke für Männer zum 50. Geburtstag. Sehr beliebt auch: die Bierdeckel-Sammlung - je nach individueller Partykeller-Kultur kombiniert mit dämlichen, gerahmten Trinksprüchen.

Ja, dort unten konnte man so richtig die Sau rauslassen. Und wessen Eltern eine solche neudeutsch "Location" bieten konnten, war schwer angesagt. Kritisch wurde es, wenn die teure Ballonseide-Jacke schon wieder ein Brandloch aufwies oder die beste Freundin sich nach zu vielen Witwen und Engeln auf die brandneue Vanilia-Hose übergab. Der Partykeller ist leider aus der Mode gekommen. Die dort gereichten Schnittchen, Gürkchen, Frikadellen mit Fähnchen und gefüllten Eier leider auch. Immer diese Antipasti zu Crémant! Es bleibt wohl nur ein Party-Evergreen: Die Roschdwurschd!

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