Der Feind im eigenen Kopf

Saarbrücken · Der Autor Hans Fallada („Jeder stirbt für sich allein“) zerstörte sich selbst – davon erzählt eine faszinierende Biografie.

 Eine undatierte Aufnahme von Hans Fallada. Foto: dpa

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Rudolf Ditzen, 1893 geboren, war ein Psychopath. Der Künstlername Hans Fallada änderte nichts daran. Er starb 1947, mit Mitte Fünfzig, nach einem unglaublichen Kraftakt: Seinen großen Roman "Jeder stirbt für sich allein", 600 Seiten lang, schrieb Fallada in 24 Tagen. Das schaffte er nur mit bis zu 150 Zigaretten am Tag, zwei Flaschen Cognac und mehreren Ampullen Morphium. Dazu Mengen an Schlafmitteln. Gab es zu wenig von den Drogen, bekam er Tobsuchtsanfälle.

Psychopathie und Drogensucht waren Falladas Schicksal und zugleich seine Rettung in den beiden Kriegen, denn er war nicht "wehrfähig". Mit Beschaffungskriminalität und Hilfe seiner Eltern und von Frauen, die ihn liebten, überlebte er seine Exzesse. Zum 70. Todestag am 5. Februar erinnert der Aufbau-Verlag mit einem Buch an den Schriftsteller, der am liebsten über die sogenannten kleinen Leute schrieb. Sein Biograf Peter Walther entdeckte Neues in Archiven. Nun steht endgültig fest: Der Hochbegabte war von einem einzigen Feind getrieben: seinem Ich.

Rudolf Ditzen war Sohn eines Richters in Berlin. Schon als Kind auffällig, wenn er schreiend aus Träumen erwachte, an einem schweren Fahrradunfall laborierte und mehrere Jahre an seiner Typhuserkrankung litt. Er liebte Tiere und quälte sie. Er liebte Frauen und peinigte sie. 1911 tötete er im Duell einen Gymnasiumsfreund und wurde unter Mordanklage gestellt. Als unzurechnungsfähig erklärt, verbrachte er Aufenthalte in der Psychiatrie, wurde immer wieder eingewiesen. 1913 begann er eine Ausbildung in der Landwirtschaft an der Mecklenburgischen Seenplatte.

Er heiratete Anna, das Paar hatte drei Kinder. Er floh aus dem Landleben, weil er dort nicht genügend Drogen bekam. Er verliebte sich in eine Frau, die seinen Morphiumkonsum teilte. Der Gedanke an Selbstmord war allgegenwärtig. Die Ärzte diagnostizierten eine "krankhafte Gemütsdepression". Sein erster Roman "Der junge Goedeschal" war ein Misserfolg. Weil Fallada Geld unterschlug, kam er sechs Monate ins Gefängnis.

"Bauern, Bonzen und Bomben" war 1931 sein literarischer Durchbruch, "Kleiner Mann - was nun" (1932) ein großer Erfolg. Unter den Nazis verbog er sich mit Unterhaltungsliteratur, schrieb für Illustrierte und Film, weshalb er nach Kriegsende als literarisches Leichtgewicht galt.

Fallada war ein Opfer seiner Zeit und der Umstände. Weil er Weltliteratur schreiben wollte, war er kein Held, sondern ein Mitläufer, der ständig Kompromisse einging. Harmlos, weil ständig unter Drogen, vor allem in den Jahren, als er viel verdiente und viel ausgab. Aber am Ende noch das Meisterwerk. Nach "Jeder stirbt für sich allein" wollte sein Körper kaum noch funktionieren. Seine zweite Frau Ursula Losch versorgte ihn am Krankenbett mit Cognac und Morphium. Am Ende fand man ihn leblos in seinem Bett: Herzversagen. Ein trauriges Leben, das Peter Walther beeindruckend rekonstruiert hat.

Peter Walther: Hans Fallada - Die Biographie. Aufbau, 527 Seiten, 25 €.

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