Glücksort Bühne: Zum Tod von Al Jarreau

Los Angeles · Denkt man an Al Jarreau, sieht man einen strahlenden, etwas zappeligen, geradezu clownesk agierenden Mann auf der Bühne, dem nichts mehr am Herzen zu liegen scheint, als sein Publikum glücklich zu machen. Dass er dabei selbst am glücklichsten war, spürte man: Die Art und Weise, wie er seine Songs darbot, vokale Purzelbäume schlug, den Stimmbändern Unmögliches abverlangte, zugleich eine spielerische Leichtigkeit ausstrahlte, war einzigartig. Zuweilen glaubte man, er selbst würde beim Scatten und Singen einfach nicht mehr wissen können, wo vorn und hinten, oben und unten ist - so temporeich und turbulent wirbelten Silben und Töne durch die Luft. Aber natürlich hatte er alles im Griff. Selbst bei den letzten Auftritten 2016 in Deutschland, als er mit der NDR-Bigband eine Duke-Ellington-Hommage darbot und am Stock gehend auf die Bühne kam, schien da noch immer diese unbändige Bewegungslust.

Vor Tagen hatte Al Jarreau nach einem Schwächeanfall aus dem Krankenhaus heraus das Ende seines Tourlebens verkündet, auch wenn für dieses Jahr noch einige Termine anstanden. Am Sonntag ist Jarreau im Alter von 76 Jahren in Los Angeles gestorben.

Vielleicht hat man Jarreau das Glück an seinem Tun immer deshalb so sehr angemerkt, weil er erst auf Umwegen auf die großen Bühnen gefunden hatte: Nach einem Psychologiestudium arbeitete er als Sozialarbeiter; das Musikmachen war für den Sohn eines Predigers nur eine Art Zeitvertreib. Er merkte aber wohl bald, dass er den Menschen als Musiker mehr geben konnte, als es ihm als Sozialarbeiter möglich gewesen wäre. Ende der 60er Jahre, da war er fast schon 30, nahm seine Karriere Fahrt auf: Er entwickelte einen ganz eigenen, instrumentalen Gesangsstil, seine erste Platte erschien 1976, es folgten mehr als 20 weitere. Etliche Tourneen führten ihn um die ganze Welt, er wurde mit zahlreichen Grammys und anderen Preisen ausgezeichnet.

Jarreau war populär. Und er war ein Eklektiker. Es gibt wenige Musikstile, die sich in seinem Fusion-Jazz nicht nachweisen ließen: von Bossa Nova über lateinamerikanische Rhythmen, R'n'B, Soul, Gospel bis zu Pop. Den Jazz-Puristen schielte er zu sehr nach dem Massengeschmack. Tatsächlich war seine Virtuosität immer auch ein bisschen zu verführerisch; seine Vielseitigkeit hinderte ihn zuweilen daran, wirklich die Tiefen eines Songs auszuloten. Aber es gibt wenige, die mit solch ansteckender Freude ihre Musik auf die Bühne gebracht haben. Die Stimme Al Jarreaus wird fehlen.

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