Saarbrücker Kunsthochschule (HBK) lädt zu einem Rundgang ein

Saarbrücken/Völklingen · Die Saarbrücker Kunsthochschule (HBK) lädt wieder zu einem Rundgang ein, der zeigt, was in ihren Ateliers entstanden ist.

 Um das Andere, Fremde in der Fotografie geht es in diesem Jahr in der großen Schau im Foyer der HBK. Ein interessantes Raumgefühl entsteht durch die beweglichen Stäbe, an denen die Arbeiten hängen. Fotos: Iris Maurer

Um das Andere, Fremde in der Fotografie geht es in diesem Jahr in der großen Schau im Foyer der HBK. Ein interessantes Raumgefühl entsteht durch die beweglichen Stäbe, an denen die Arbeiten hängen. Fotos: Iris Maurer

Das Andere, das Fremde fasziniert, macht Angst, ist gewöhnungsbedürftig. In Zeiten der zunehmenden Furcht vor so genannter Überfremdung und neuem weltweiten Isolationismus verwundert es nicht, dass die Hochschule sich mit Themen rund um Fremdheit beschäftigt. Im HBK-Foyer, wo am Freitagabend der diesjährige Rundgang eröffnet wurde, geht es in der zentralen von den Professoren Eric Lanz und Rolf Sachsse kuratierten Schau um "Fremd - Das Andere in der Fotografie". Das ihnen Fremde zeigen die jungen Künstler aus sehr unterschiedlichen, persönlichen Perspektiven. Man sieht schummrige Kellerräume, verlassene Häuser, den neugierigen Blick in beleuchtete Fenster, aber auch Fotografien, die sich nicht von alleine erschließen. Zum Beispiel die starken Arbeiten von Hyeonchae Oh aus Südkorea. Er hat die Verunsicherung in Form hunderter Aktenmappen bearbeiteter Fälle im Ausländeramt festgehalten. Eine zweite Fotografie zeigt die gleiche Ansicht - ergänzt durch einen Stapel unbearbeiteter Akten. Seine Kommilitonin Echo Hui zeigt die stark vergrößerte Oberfläche von Toastbrot. Die junge Frau, ebenfalls aus Südkorea, hat keinen Geschmackssinn - auch so sieht das Andere, Fremde aus.

Auf den ersten Blick ebenfalls fremd, aber wunderbar frisch wirken die in einem Projekt im Bereich Kommunikationsdesign entstandenen Plakate zum Thema "Jungs und Mädels". Entwickelt wurden zum Beispiel ein Kindermagazin fernab von Gender-Klischees sowie Plakate, die das übliche Gender-Design umdrehen und weibliche Attribute männlichen Bildern zuordnen und umgekehrt. Da hängt zum Beispiel ein gelber VW-Käfer am Tropf und es heißt: "Pflegen ist rasant - Wir halten unsere Oldtimer in Schuss". Das könnte auch Männer für die Pflege begeistern.

Einen ganzen Raum nimmt die hochpolitische Abschlussarbeit von Pablo Redinger ein. Der Kommunikationsdesigner bezieht sich auf die Aktionen der studentischen Widerstandsgruppe "Weiße Rose" im Dritten Reich und hat unter der Überschrift "An die Heuchler" 100 verschiedene Flugblätter gegen rechts - absichtlich anachronistisch - auf der Schreibmaschine entworfen. In 100er-Auflage liegen die Blätter aus, zum Mitnehmen und Verteilen. "Wir brauchen Entschleunigung", sagt Redinger und kritisiert vor allem die Medien, die im Konkurrenzkampf um immer höhere Aktualität zunehmend ungeprüfte, auch falsche Meldungen verbreiten. Mit seinen altmodischen, analogen Flugblättern und ihren prägnanten, politischen Botschaften nicht nur gegen Rechtsextremismus hält er dagegen.

Begleitend gibt es eine online-Spendensammel-Aktion für die Arbeit der "Weiße Rose"-Stiftung (www.flugblattandieheuchler.de ).Eine energiegeladene, sozialkritische Atmosphäre unter den jungen Künstlern kann auch Georg Winter, Professor für Bildhauerei und Performance feststellen. In seinem Atelier in der HBK-Dependance Handwerkergasse im Weltkulturerbe Völklinger Hütte hat er mit Studierenden die Rauminstallation ,,Move your home 49 hours" mit dreitägiger Dauer-Performance umgesetzt. 15 junge Künstler ziehen dort in eine imaginäre Wohngemeinschaft ein. Deren Grundriss ist mit Klebeband auf dem Boden markiert. In den abgeklebten "Zimmern" haben sich die Studenten individuell eingerichtet oder - besser gesagt - künstlerisch installiert. In diesem experimentellen Raum erprobt man nachbarschaftliche Dialog- und Konfliktformen. Es solle aber "kein Ponyhof" sein. Die Besucher erwarten viele kleine Performances. Ein typisches Experiment für den Performance-Künstler Winter, dessen Projekte auch überregional Beachtung finden.

Das Ganze ist eingebettet in das "International Brazyrian Art Center", einem "utopischen Forschungskunstprojekt" so Winter, kuratiert von dem brasilianischen Kunststudenten Wanderley Viera, der bereits seit über einem Jahr in einem Modulhaus in der Handwerkergasse lebt, das die HBK zusammen mit der Saarbrücker Hochschule für Technik und Wirtschaft entwickelt hat. Es wurde 2016 auf der Architekturbiennale in Venedig gezeigt. Bis Sonntag beherbergt es nun Kunstwerke.

Über 90 Studierende stellen in der Handwerkergasse aus, darunter auch junge Künstler aus Syrien. Was das alles zu bedeuten hat? "Sie sind herzlich eingeladen, es scheiße zu finden", schreibt Veronika Wünsch an die Wand ihrer Installation in Völklingen, bei der sie Frauenbilder in Frage stellt. Sie hat recht. Hingehen und selbst urteilen. Die Hochschule ist jedenfalls stolz auf diesen experimentellen Raum, in dem sich junge Künstler ausprobieren können. Hier ist keine Idee zu verrückt.

Auch die Produktdesigner auf dem Saarbrücker Campus sind dieses Jahr ziemlich verrückt unterwegs. Sie haben sich mit "empathischen Produkten" auseinandergesetzt und verbinden das Digitale (wieder) mit dem Analogen. Da zeigt beispielsweise ein Tisch an, wenn ihm die Last zu schwer wird und knickt mit einem Bein ein. Mulmig könnte es vielen Frauen werden bei dem Gedanken an "empathische Tampons": Die jungen Produktdesigner haben einen Prototyp entwickelt, der via Sensor meldet, wenn die Watte sich vollgesaugt hat und gewechselt werden soll.

Dann vibriert es - am Handy der (Be-)Nutzerin. Eine grässliche, aber spaßige Vorstellung.

Natürlich wird an der Kunsthochschule auch noch ganz klassisch gearbeitet: Malerei, Fotografie und Zeichnung sind bei den "Bildnerischen Grundlagen" zu sehen. Dort zeigen 80 Studierende der ersten Semester aller Studiengänge ihren Blick auf den Alltag. Im Glaslabor hat man sich mit der Verbindung von Glas und Keramik beschäftigt. Und wie immer sind die Möbel-Designer und die Lichtkünstler in Daniel Hausigs Atelier einen Besuch wert.

Die HBK hat sich überregional als Schmiede für Multi-Media-Künstler und Comiczeichner etabliert. In den Ateliers kann man interaktive Spiele und Lichtinstallationen erleben. Die MusikLichtSpiele "Rotationen" wird es auch in diesem Jahr geben, allerdings erst im Herbst. Und an einem neuen, noch nicht spruchreifen Standort. Zufällig wird dann ja auch das erweiterte Saarlandmuseum eröffnet. . .

Zum Thema:

 Studenten haben sich in diesem „performativen Situationsraum“ in der Handwerkergasse eingerichtet.

Studenten haben sich in diesem „performativen Situationsraum“ in der Handwerkergasse eingerichtet.

Jahresausstellung der Saar-Kunsthochschule Die Schau ist Samstag, Sonntag und Montag auf dem Campus in Saarbrücken (Keplerstr. 3-5) und in der Handwerkergasse im Weltkulturerbe Völklinger Hütte zu sehen. Geöffnet: Campus Sa/So 10-19 Uhr, Mo 9-15 Uhr. Handwerkergasse: Sa 14-19 Uhr, So 10-19 Uhr, Mo 9-15 Uhr. Führung mit HBK-Rektorin Gabriele Langendorf: So, 15 Uhr, HBK-Foyer. Eröffnung in Völklingen: Sa, 14 Uhr. Es gibt stündlich Performances. Am Montag findet der Hochschulinformationstag von 8.30-15 Uhr statt. Die HBK-Galerie zeigt bis zum 4. März die studentischen Arbeiten, die für den Peter und Luise Hager-Preis nominiert wurden. Weitere Informationen: www.hbksaar.de

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