Als Easy Rider ins verqualmte Abendrot

Früher war vermeintlich alles besser. Oder doch nicht? Beim Rückblick auf die 70er, 80er und 90er Jahre werden SZ-Redakteure „nostalgisch“. Heute geht es um das Bonanzarad, das man in den 70ern einfach haben musste.

Mit dem Bonanzarad war es wie mit dem Opel Manta: Erst war man der King. Später war man der Depp, wenn man immer noch damit rumgurkte. Auch sonst taten sich da persönlichkeitsrelevante Parallelen zwischen Zwei- und Vierradpiloten auf. Fuchsschwanzaffin waren nämlich beide. Bei den einen baumelte das Pelzende am Sattelbügel, bei den anderen an der Antenne. Und erst war man damit cool, dann peinlich und irgendwann Kult. Was lehrt, dass man nur lange genug durchhalten muss, um Avantgarde zu sein.

Für mich persönlich bedeutet das Bonanzarad ein mittlerweile 40-jähriges Trauma. Ich hatte nämlich nie eins. Henning allerdings bei uns in der Straße, dessen Eltern stets die Nase einen Zentimeter höher hatten, und schon, um den Neid der Nachbarn zu mehren, den Kindern alles Kaufbare schenkten, hatte natürlich eins. In Knallorange mit gefühlt anderthalb Meter hohem Chopper-Lenker und der Dreigangschaltung, die aussah wie der Automatikwählhebel in den Ami-Schlitten, die man aus den heimlich durchs Wohnzimmertürschlüsselloch erspähten "Straßen von San Francisco" kannte.

Meine Mutter hatte aber verfügt, der Bub bekommt was Praktisches. Ein Jungenrad von Kettler, "das für ein paar Jahre gut ist". Das Uncoolste halt auf zwei Rädern überhaupt. So war man immer auf Hennings teuer erkaufte Gunst (mindestens ein "Nogger" pro Fahrt) angewiesen, um die Freiheit auf zwei Rädern zu spüren. Zwar hatte natürlich keiner von uns damals schon "Easy Rider" gesehen. Doch wenn man im Bananensattel eines Bonanzarades lässig nach hinten gelehnt an grauen Eternitfassaden entlang zischte, ins von Kokereiqualm gelb geschwängerte Abendrot, fühlte man sich mindestens wie Dennis Hopper und Peter Fonda.

Und wusste, dass man irgendwann mal ganz weit weg muss. Mir scheint, dass es solche fantasiebeflügelnde Gefährte für die Playstation-Generation leider nicht mehr gibt.

Henning aus unserer Straße fuhr übrigens später tatsächlich einen Manta. Ich bin dann doch ganz froh, dass ich nie ein Bonanzarad hatte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort