Interview mit Regisseur Tarek Ehlail „Hass und Gewalt waren immer da“

Im Film „Volt“ mit Benno Fürmann erzählt der saarländische Regisseur Tarek Ehlail von Flüchtlingsunruhen und überforderten Polizisten. „Volt“ läuft heute um 23.30 Uhr bei SR/SWR.

 Benno Fürmann als Polizist Volt, der in der Flüchtlingszone Schuld auf sich lädt. Foto: Felix Gemein/Augenschein Film

Benno Fürmann als Polizist Volt, der in der Flüchtlingszone Schuld auf sich lädt. Foto: Felix Gemein/Augenschein Film

Foto: Felix Gemein/Augenschein Film

Der Homburger Regisseur Tarek Ehlail legt nach "Chaostage" (2007) und "Gegengerade" (2011) seinen dritten Spielfilm vor: "Volt" erzählt von einem Deutschland, das Flüchtlinge in Transitzonen sperrt. Der Polizist Volt (Benno Fürmann) tötet bei einem Einsatz einen Flüchtling - und versucht dann, die Tat zu vertuschen.

Ihr Film "Volt" zeigt einen Staat, der am Ende ist. Wie weit liegt das für Sie in der Zukunft?

Ehlail Wir blenden ja den Satz "In naher Zukunft" ein. Ich wollte nicht von einer bestimmten Zukunft an einem bestimmten Ort erzählen. Unsere heutige Gegenwart sollte noch erkennbar sein, der Film ist eine mögliche Konsequenz des heutigen Szenarios.

"Volt" reduziert die Welt auf wenige Schauplätze - die Transitzone, die Polizeistation, ein nächtliches Wohngebiet.

Ehlail Der Film ist stilistisch vollkommen überhöht, ich wollte das so darstellen wie im Comic. Das Bild dieser nahen Zukunft entsteht für mich durch die Reduktion. Man kann sich vorstellen, wie sich die Zustände verhärtet haben und wie diese Welt ist. Ich wollte auf keinen Fall ein Flüchtlingsdrama machen, da gibt es ja schon so viele. Es geht um eine Welt, in der sich viele Menschen Wohnraum, Bildung und Gesundheit nicht mehr leisten können, diese Tendenz ist ja da. Das schafft klare Fronten, die wir zeigen. Da gibt es die Transitzone, dann die "gated communities", in denen die Leute versuchen, das sogenannte normale Leben zu konservieren, und die Polizisten.

Die sind eigentlich arme Schweine, aber weil sie ihren Kopf hinhalten, bekommen sie auch ihr Häuschen mit Gartenparzelle und dürfen Teil dieses konservierten Lebens sein.

Was werden Polizisten von dem Film halten? Sie sind arme Würstchen, manchmal wirken sie aber auch abgestumpft und rassistisch.

Ehlail Die Frage wurde auf den Festivals, wo der Film lief, schon öfter gestellt - und ich habe keine Ahnung. In München war einer von einer USK-Spezialtruppe bei einer Vorführung dabei, der fand den Film ziemlich gut. Ich will die Polizisten auf keinen Fall per se als Rassisten bezeichnet sehen. Der Jargon ist natürlich krass - Blackies, Bimbos, Zigeuner - das sind rassistische Begriffe. Aber da die Polizisten täglich sozusagen an der Front sind, ist das ein Automatismus. Ich glaube auch nicht, dass bei der Polizei nicht manchmal so gesprochen wird. Das ist aber nicht Ausdruck einer politischen Haltung.

Gab es einen speziellen Ausgangspunkt für den Film?

Ehlail Es dauert ja ewig, bis so ein Film fertig ist, was vor allem an der langen Drehbuchentwicklung liegt. Aber nach "Gegengerade" wollte ich unbedingt einen bewusst politischen Film machen. Ich wollte ursprünglich, wegen der Lage der saarländischen Heimat an der französischen Grenze, ein Szenario schreiben, dass sich an die Pariser Unruhen 2005 anlehnt. In meinem Entwurf bringt ein Mann an der Grenze einen anderen Mann um und löst in Deutschland dadurch soziale Unruhen aus wie in Paris 2005. Die Gegenwart hat diese Idee aber überholt, so dass wir das Buch immer wieder verändert haben.

Die Grundidee bleib aber stets, dass in Deutschland wieder Grenzzäune errichtet werden, dass kontrolliert wird und man von dem offenen Europa wieder wegkommt. Ich kam immer wieder zu dem Thema, wenn ich in Saarbrücken an den alten Grenzstationen an der Goldenen Bremm vorbeigekommen bin und mir vorgestellt habe, wie das wäre, wenn die wieder öffnen würden.

Gab es filmische Vorbilder für "Volt"? Ich musste ein paar Mal an John Carpenter denken, an "Assault" und "Die Klapperschlange".

Ehlail "Die Klapperschlange" ist natürlich großartig, den Film würde ich immer als Vorbild akzeptieren. Was mich auch inspiriert hat, war "Children of Men" mit einer Welt, in der keine Kinder mehr geboren werden. "Blade Runner" ist auch fantastisch, weil er eine Welt in völliger Dunkelheit entwirft. Wir wollten eine Art Retro-Futurismus erschaffen.

Wie groß war die Produktion?

Ehlail Wir haben gut drei Wochen gedreht, da muss man schon kämpfen. Aber man muss mit dem auskommen, was man hat.

Das bizarre Gebäude am Ende mit dem Bundesadler - wo steht das ?

Ehlail Das ist das ehemalige Flughafengebäude in Ossendorf in Köln. Das Ende der Welt liegt also in Nordrhein-Westfalen.

Sie haben auch in Neunkirchen gedreht, an den alten Hochöfen?

Ehlail Ja klar, die Saarländer werden das erkennen. Aber, wie gesagt, ich wollte den Film nirgendwo fest verorten.

Tobias Kessler führte das Interview.

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